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Dunkles Indien

Dunkles Indien

Titel: Dunkles Indien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudygard Kipling
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man ein Gewehr mit den Zehen abschießt!« sagte er grimmig zum Mond hinauf. Das war die letzte Bemerkung des Sepoys Suket Singh.
    Eines Tages, früh am Morgen, kam Madu zu dem Feuerbrand, erschrak sehr und lief fort, um den Polizeimann zu holen, der gerade in der Umgebung die Runde machte.
    »Dieser Auswurf von einem Menschen hat mir für vier Rupien Kohlenholz verbrannt«, schimpfte er, »und meine Frau getötet. Und einen Brief hat er an eine Tanne gebunden. Ich kann nicht lesen.«
    In der steifen, pedantischen Schrift, die in den Regimentern gelehrt wird, hatte der Sepoy Suket Singh folgendes geschrieben:
    »Man verbrenne uns zusammen, falls noch Reste von uns übrig sein sollten; wir haben die vorgeschriebenen Gebete verrichtet. Madu und Malak, den Bruder Athiras, haben wir verflucht; sie sind beide böse Menschen. Dem Oberst Sahib Bahadur sende man meine Empfehlung.«
    Lang und versonnen blickte der Polizeimann auf das Ehebett aus roter und weißer Asche, auf dem, schwarzgebrannt, der Gewehrlauf des Waldhüters lag. Geistesabwesend stieß er mit seiner bespornten Ferse in einen halbverkohlten Balken und prasselnde Flammen züngelten hoch. »Ein ganz sonderbares Volk!« murmelte er.
    »Hju, ju, oui, oui«, sagten die kleinen Flammen.
    Dann notierte der Polizeimann mit dürren Worten die Tatsachen in sein Dienstbuch, denn die Regierung liebt romantische Phrasen nicht.
    »Und wer wird mir meine vier Rupien bezahlen?« fragte Madu.

»Ohne priesterlichen Segen«
    Ich erntete vor Frühling meinen Herbst.
    Wie du verfrüht, mein Kornfeld, dich verfärbst!
    Wie schmerzlich mich dein Rätsel überkommt,
    Erwürgte und verdorrte Jahreszeit,
    In Wachsens und in Sterbens Heimlichkeit!
    Eh andre sahn den Tag, sah ich das Leid
    Des Sonnenuntergangs, der Dunkelheit,
    Ich, der ich weiß, was nicht zu wissen frommt!
    I
    »Was aber, wenn es ein Mädchen wird?«
    »Herr meines Lebens, das kann nicht sein! Ich habe so viele Nächte hindurch gebetet und so oft Opfergaben zum Heiligenschrein Sheikh Badls geschickt, daß ich bestimmt weiß: Gott schenkt uns einen Sohn - einen Knaben, der zum Manne heranreifen wird. Denk daran und freue dich. Meine Mutter wird seine Mutter sein, bis ich wieder soweit bin, ihn zu mir zu nehmen, und der Mullah der Pattan-Moschee soll ihm sein Horoskop stellen. Gott gebe, daß er in einer günstigen Stunde geboren wird! Und - und dann wirst du meiner nie überdrüssig werden - meiner, deiner Sklavin.«
    »Bist du denn je meine Sklavin gewesen?«
    »Ja, seit jeher - von Anbeginn an - seit ich der Gnade teilhaftig geworden bin. Wie könnte ich deiner Liebe gewiß sein, wo ich doch weiß, du hast mich gekauft. Mit Silber!«
    »O nein, es war ein Brautgeschenk; nur habe ich es deiner Mutter gegeben.«
    »Und sie hat es verscharrt und sitzt darauf den ganzen Tag wie eine Henne. Was redest du da von einem Brautgeschenk! Gekauft bin ich worden wie ein Tanzmädchen.«
    »Bereust du den Handel?«
    »Ich habe ihn einst bereut, aber heute bin ich glücklich. Wirst du niemals aufhören, mich zu lieben? Sag, mein König!«
    »Nein. Niemals - niemals.«
    »Auch nicht, wenn die mem-log – die weißen Frauen dei ner Rasse dich mit ihrer Liebe verfolgen? Oh, ich habe gut gesehen, wie sie des Abends ihre Blicke auf dich werfen. Sie sind so schön!«
    »So? Ich habe nur Hunderte von Leuchtkugeln gesehen! Aber dann habe ich den Mond gesehen, und vor seinem Glanz verblaßten die Leuchtkugeln!«
    Ameera klatschte in die Hände und lachte. »Das ist lieb von dir«, sagte sie, spielte dann die Würdevolle: »Es ist genug. Ich gestatte dir, zu gehen, wenn du willst.«
    Der Mann rührte sich nicht. Er saß auf einem niedrigen, rotlackierten Schemel in einer Stube, deren gesamte Ausstattung aus einem blau- und weiß-geblümten Teppich, ein paar Wolldecken und einer reichhaltigen Sammlung von Eingeborenenkissen bestand. Zu seinen Füßen saß eine Frau von sechzehn Jahren; sie bedeutete für ihn die ganze Welt. Nach wohl jedem Gesetz war sein Verhältnis zu ihr nicht einwandfrei, denn er war Engländer, sie die Tochter eines Muselmans, und er hatte sie ihrer Mutter abgekauft vor zwei Jahren. Die Alte war eine gänzlich mittellose Witwe und hätte gegen einen entsprechenden Preis Ameera auch an den Fürsten der Unterwelt verschachert.
    John Holden hatte den Handel leichtfertig abgeschlossen, als Ameera fast noch ein Kind gewesen, aber seitdem hatte sie ihn immer mehr und mehr ausgefüllt. Um ihretwillen - und auch der Mutter

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