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Dunkles Indien

Dunkles Indien

Titel: Dunkles Indien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudygard Kipling
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hin, wie einer, der für eine erfreuliche Botschaft ein Trinkgeld erwartet.
    Holden eilte über den Hof. Ein Licht brannte im oberen Zimmer. Das Pferd wieherte im Torweg, und ein dünner, schriller Schrei trieb Holden das Blut in die Kehle. Dann eine Stimme, aber noch immer kein Zeichen, daß Ameera am Leben sei.
    »Wer ist drin?« rief er die schmale Ziegelsteintreppe hinauf.
    Da! Ein Schrei des Entzückens aus Ameeras Mund, und dann die zitterige Stimme der Mutter, bebend vor Stolz: »Wir die zwei Frauen sind hier und ein - Mann - dein Sohn!«
    Auf der Zimmerschwelle trat Holden auf einen Dolch, sie hatten ihn hingelegt, um böses Geschick abzuwehren; die Klinge zerbrach unter der Wucht seines Fußes.
    »Gott ist groß!« gurrte Ameera in der schwacherleuchteten Stube, »es ist ein Vorzeichen! Du hast alles Unheil von seinem Haupt auf das deinige genommen!«
    »Gut. Aber wie geht es dir, mein Leben? Alte, sag, wie geht es ihr?«
    »In ihrer Freude hat sie alle Schmerzen vergessen«, sagte die Greisin. »Alles ist gut abgelaufen; aber sprich leise!«
    »Nur deine Gegenwart fehlte mir noch, um mich vollkommen glücklich zu machen«, sagte Ameera. »Mein König, so lange warst du fort! Und was bringst du mir mit? Ah, Ah! Diesmal bin ich es, die ein Geschenk hat. Schau her, mein Leben, schau her. Hat es schon je ein solches Baby gegeben? Ach, ich bin noch zu schwach, um auch nur den Arm von ihm zu lösen.«
    »Bleib ganz ruhig und sprich nicht. Ich bin doch bei dir, bachari!«
    »So lieb von dir! Aber jetzt ist noch ein viel festeres Band da, das uns verknüpft: schau, kannst du es sehen hier im Licht? Ohne Fehl und Tadel ist es. Noch nie hat es so einen Knaben gegeben. Ya illah! Ein Pundit - ein Gelehrter - soll er werden - nein, ein Soldat der Königin. Aber du, mein Leben, liebst du mich auch noch so wie früher? Trotzdem ich blaß bin und krank und verbraucht?«
    »Oh, wie sehr! Ich hab dich lieb, wie je zuvor, aus ganzer Seele, mein Perlchen. Aber, lieg still und ruh dich aus.«
    »Geh nicht! Setz dich neben mich - so. Mutter, der Herr des Hauses braucht ein Kissen! Bring's.« Eine fast unmerkliche Bewegung des kleinen Lebens, das da im Arm Ameeras ruhte: »Aho!« sagte Ameera und ihre Stimme schlug über vor Freude. »Jetzt schon ist das Baby ein Fußballchampion. Wie es mich in die Seite kickt! Hat es jemals schon ein solches Kind gegeben! Und unser ist es - dein und mein. Leg deine Hand auf seinen Kopf, aber vorsichtig, es ist noch so jung, und Männer sind ungeschickt in solchen Dingen.«
    Behutsam berührte Holden mit den Fingerspitzen das flaumige Köpfchen.
    »Er ist ein Gläubiger bereits«, sagte Ameera; »als ich hier lag in den langen Nachtwachen, habe ich das Gebet und das Bekenntnis des Glaubens ihm ins Ohr geflüstert. Und wie wunderbar: er wurde an einem Freitag geboren, wie ich. Sei vorsichtig, mein Leben, aber er kann schon mit den Händchen greifen.«
    Holden fühlte, wie eine winzige Hand sich schwach um seinen Finger schloß, aber die Berührung lief durch seinen ganzen Körper und sammelte sich rings um sein Herz. Bisher hatte all sein Sinnen und Sein Ameera gegolten; jetzt erwachte etwas in ihm, als gebe es außer ihr noch etwas anderes in der Welt; nur fühlte er noch nicht, daß es ein Sohn war mit einer lebendigen Seele. Er setzte sich und sann nach, und Ameera versank in Halbschlaf.
    »Geh jetzt, Sahib«, flüsterte die Alte mit verhaltenem Atem. »Es ist nicht gut, wenn sie dich wieder hier sieht beim Erwachen. Sie braucht Ruhe.«
    »Ich gehe schon«, sagte Holden gehorsam. »Hier hast du Geld. Sieh zu, daß mein Baby gedeiht und alles bekommt, was es braucht.«
    Das Klingen der Silbermünzen erweckte Ameera. »Ich bin seine Mutter und keine feile Dirne«, hauchte sie. »Soll ich besser für ihn sorgen nur des Geldes wegen? Mutter, gib's zurück! Ich habe meinem Herrn einen Sohn geboren.«
    Tiefer Schlaf überfiel sie, noch während sie sprach. Holden ging leise hinunter - mit erleichtertem Herzen - in den Hofraum. Pir Khan, der alte Hausmeister, gluckste vor Entzücken. »Jetzt hat das Haus alles«, sagte er, und ohne weitere Erklärung drückte er Holden den Griff eines Säbels in die Hand, den er - Pir Khan selbst! - viele Jahre getragen hatte, als er noch der Königin gedient hatte bei der Polizei. Das Meckern einer Ziege tönte vom Brunnenrand herüber.
    »Zwei sind's«, sagte der Alte, »zwei der besten Sorte. Ich habe sie für teures Geld gekauft, und da keine Gäste zum

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