Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dunkles Indien

Dunkles Indien

Titel: Dunkles Indien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudygard Kipling
Vom Netzwerk:
meinem Sauspeer nach dem großen weißen Mond zielte, der ruhevoll auf meinen wahnwitzigen Galopp herniederschien. Schreiend forderte ich ein paar Kameldornbüsche, die gespenstisch an mir vorbeiflogen, zum Kampfe heraus. Einmal oder zweimal, so bedünkte mich, fiel ich vornüber auf Pornics Hals, und buchstäblich hing ich nur noch dank meinen Sporen im Sattel, wie die Spuren am nächsten Morgen zeigten.
    Das arme Pferd raste dahin wie besessen über eine, wie ich mich zu erinnern glaube, grenzenlose mondlichtbeschienene Sandfläche. Sodann, das weiß ich genau, stieg der Weg vor mir plötzlich scharf aufwärts, und als wir den Gipfel des Hügels erreicht hatten, sah ich tief unten die Wasser des Sutlej schimmern wie ein silbernes Band. Gleich darauf fiel Pornic mit einem Ruck auf die Nase und wir rollten gemeinsam einen unsichtbaren Abhang hinunter.
    Ich muß wohl das Bewußtsein verloren haben, denn als ich wieder zu mir kam, lag ich bäuchlings auf einem Haufen weichen, weißen Sandes, und die Morgendämmerung warf ihren verschwommenen Schein über den Rand des Abhanges, von dem ich herabgefallen war. Als es heller wurde, sah ich, daß ich mich am Fuße eines hufeisenförmigen Sandkraters befand, dessen offene Seite von den Ufern des Sutlej begrenzt war. Das Fieber hatte fast ganz aufgehört, und abgesehen von einem leichten Schwindelgefühl im Kopf, fühlte ich keine schlimmen Folgen des nächtlichen Sturzes.
    Pornic, der einige Meter entfernt stand, war zwar sehr erschöpft, aber nicht verwundet. Sein Sattel, ein richtiger Polosattel, war stark verrutscht und hing ihm am Bauch. Da das Riemenzeug arg verknotet war, dauerte es eine Zeit, bis ich alles wieder zurechtgebracht hatte; dabei blieb mir aber Muße genug, den Ort zu betrachten, in den ich so dummerweise gefallen war.
    Auf die Gefahr hin, weitschweifig zu werden, muß ich ihn dennoch genau schildern, da nur ein scharfes Bild seiner Eigentümlichkeiten es dem Leser ermöglichen kann, die jetzt folgenden Begebnisse zu verstehen.
    Man stelle sich also einen – wie schon vorhin bemerkt – hufeisenförmigen Krater aus Sand vor, dessen steil abfallende Seitenwände ungefähr fünfunddreißig Fuß hoch waren. Der Neigungswinkel betrug, schätze ich, ungefähr fünfundsechzig Grad. Dieser Krater schloß ein flaches Stück Boden ein von etwa fünfzig Meter Länge und dreißig an der breitesten Stelle, mit einem rohen Brunnen in der Mitte. Rund um diesen Boden des Kraters, ungefähr drei Fuß hochragend, zog sich eine Reihe von dreiundachtzig halbkreisförmigen, ovalen, viereckigen oder unregelmäßig geformten Höhlen hin, alle mit Eingängen oder Öffnungen von je drei Fuß im Ausmaß. Jede Höhle zeigte mir, als ich sie später besichtigte, eine sorgfältig hergestellte Innenverschalung aus Treibholz und Bambus und oberhalb der Eingangsöffnung eine hölzerne Wasserablaufsrinne, zwei Fuß breit und von der Form einer Jockeymütze. Dennoch war keine Spur von Lebewesen in diesen Höhlen bemerkbar. Nur ein Brechreiz erzeugender, scheußlicher Geruch durchdrang das ganze Amphitheater – ein Geruch, widerwärtiger noch, als ich ihn jemals auf meinen Wanderungen in irgendwelchen indischen Dörfern gefunden habe.
    Ich bestieg Pornic, der ebenso wie ich heftige Sehnsucht nach den heimischen Zelten zu empfinden schien, und ritt rings um die Basis des hufeisenförmigen Kraters, um eine Stelle ausfindig zu machen, von der aus man am besten wieder ins Freie gelangen könnte. Da die Bewohner, wer sie auch immer sein mochten, es nicht für nötig hielten, sich sichtbar zu machen, so war ich auf meine eigenen Ratschlüsse angewiesen. Mein erster Versuch, Pornic die steile Sandbank »hinaufzustacheln«, brachte mir lediglich die Überzeugung, daß ich in eine Falle gestürzt war, ähnlich dem gewissen Sandtrichter, wie ihn der.sogenannte Ameisenlöwe im kleinen herstellt, um Insekten zu fangen. Bei jedem Schritt fiel der lockere Sand tonnenweise von oben herab und prasselte wie Schrotfeuer auf die Wasserablaufrinnen der Höhlendächer nieder. Noch einige erfolglose Versuche, und Pornic und ich rollten, halb erstickt von den Sandmassen, auf den Grund des Kraters zurück. Ich war also genötigt, meine Aufmerksamkeit dem Flußufer zuzuwenden.
    Hier schien die Sache keine Schwierigkeiten zu bieten. Zwar reichten die Sandhügel bis dicht an den Flußrand, aber es schien genug seichte Stellen und Sandbänke zu geben, über die Pornic hinweggaloppieren konnte, so daß ich den Weg

Weitere Kostenlose Bücher