Dunkles Licht
erkannte in ihnen die unermüdlichen Tänzer wieder, die sie schon auf Bällen getroffen hatte. Der Rote hatte versucht, sie für irgendeine Privatunterhaltung anzuwerben.
»Darf ich vorstellen«, sagte Kipping, »John Hawke und Eheweib … der Ehrenwerte Darren Darley, zwei Jahre hintereinander Gewinner des Palastfechtturniers sowie der tödlichste Schwertkämpfer Albis.«
Rot-und-Weiß verneigte sich.
»Möglicherweise
der tödlichste, wenn ich bitten darf, Privatsekretär. Ich hatte bisher noch keine Gelegenheit, diese Theorie in die Praxis umzusetzen.«
»Wir hoffen, Ihr werdet weiterhin enttäuscht. Und, als zweiter, Simon Hogarth, Zweitplatzierter im Turnier.«
»Zweittödlichster«, sagte Simon, »und der Gewinner im kommenden Jahr.«
»Nur über meine Leiche«, gab sein Freund zurück.
»Wenn du darauf bestehst.«
»Ich erzittere«, sagte Rollo mit einem entsprechenden Lächeln. »Aber ich verstehe die Notwendigkeit Eurer Anwesenheit.« Er wandte sich um und trat zum Bett, dicht gefolgt von Darley und Hogarth.
Das königliche Schlafzimmer war natürlich groß, dominiert von einem großen Himmelbett, dessen Vorhänge aufgezogen waren.Das übrige Zimmer war spärlich möbliert, nur einige wenige Stühle und zwei Tische für Flaschen und Gebrauchsgegenstände. Die Diener seiner Majestät würden ihn rasieren und kämmen müssen. Am meisten beeindruckt war Maddy von einem Ganzkörperspiegel an der Wand. Es war der größte Spiegel, den sie jemals gesehen hatte, anscheinend völlig makellos. Na ja,
das
war ein Schatz!
Der königliche Patient lehnte gegen einen Haufen Kissen auf dem großen Bett, dicht an der anderen Seite, wo ihn die Helfer erreichen konnten. Die Augen hatte er geschlossen. Sein Gesicht von der Farbe von Pergament, und noch dazu ziemlich zerknittertem Pergament, erinnerte nicht im Geringsten an den gut aussehenden Mann auf den Münzen des Reichs. Selbst ohne allzu nahe heranzutreten, sah Maddy, dass die rechte Seite seines Mundes nun herabhing, das Anzeichen, nach dem Nell gefragt hatte. Sie wartete zusammen mit Nell und Kipping am Fußende des Bettes.
Rollo legte dem Patienten eine Hand auf die Stirn, wie er es bei Irene getan hatte. Ethan, der Schrecken der Verräter, der die Kinder der Mutter während seiner ganzen Regentschaft gnadenlos gefoltert und hingerichtet hatte, wurde jetzt in seiner letzten Krankheit von einem dieser Kinder gepflegt. Hinter Rollo standen links und rechts Hogarth und Darley mit gezogenen Schwertern. Was der eine nicht sah, sollte der andere sehen, und beide konnten das Bett überblicken und im Wandspiegel verfolgen, was geschah. Wenn der Ketzer versuchen sollte, dem König etwas anzutun, könnte er augenblicklich niedergemacht werden.
Die Zeit verstrich. Die weißen und goldenen Brokatvorhänge waren bewundernswert, ebenso der weiße Marmorkamin mit den vergoldeten Schnitzereien, die dicken Teppiche auf dem Boden und die Fresken an der dreißig Fuß hohen Decke. Aber wie schlief man in einer solchen Pracht? Wie konnte man sich so weit entspannen, dass man bei einer derart überwältigenden Umgebung in der lächerlichen Ausgelassenheit des Liebesspiels schwelgen konnte?
Einige weitere Minuten lang hielt Rollo jetzt die Hand an den Hals des Königs, dann hob er die Decke an, sodass sich das königliche Nachthemd zeigte, und legte ihm eine Hand aufs Herz. Ertastete den Unterleib ab. Dann schob er die Decken wieder an Ort und Stelle und wich in den Raum zurück, den nur einen Augenblick zuvor Darleys Rapier eingenommen hatte. Ob Rollo davon nichts bemerkt hatte oder ob er nur die Reflexe des Schwertkämpfers prüfen wollte – Darley war auf jeden Fall schneller. Er senkte rechtzeitig das Schwert und trat beiseite.
Rollo kam zum Fußende des Betts. »Können wir bitte draußen sprechen?«
»Nein. Hier ist es sicherer«, erwiderte Kipping.
»Vielleicht bin ich bloß abergläubisch, aber ich bespreche eine Diagnose nie in Hörweite eines Patienten – selbst wenn der Patient bewusstlos zu sein scheint, wie in diesem Fall.«
»Sprecht hier«, beharrte der Privatsekretär.
Rollo seufzte verärgert. »Wie Ihr wollt. Ihr wisst bestimmt, dass er einen Unterleibstumor hat. Ich bin mir fast sicher, dass er gutartig ist und ich ihn durchaus heilen könnte. Aber der Herzschlag ist tödlich. Er wird nie mehr aus dem Koma erwachen. Tod in zwei oder drei Tagen, äußerstenfalls – wenn ich nichts unternehme.«
»Was könnt Ihr tun?«
»Ich könnte ihn länger
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