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Dunkles Licht

Dunkles Licht

Titel: Dunkles Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dave Duncan
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war seit Jahren nicht gesäubert worden. Von dieser eisenbeschlagenen Tür würden Kanonenkugeln abprallen. Die fehlende Dunkelheit seit seiner Gefangennahme war eine überraschende Folter gewesen, bis diese neue Folter ihn gelehrt hatte, was Schmerz sein konnte. Er hatte drei Jahre in Gaudry gelebt, wo das Land selbst der Mutter geheiligt war. Quellen gab es dort, kleine Seen und Hügel, die alle dicht bewaldet waren. Die Gebäude waren klein und unverdächtig. Es war ein schattiger Ort, überall standen Bäume und Felsen über stillen Lichtungen, wo das Sonnenlicht ungehindert einfallen und blitzen und strahlen konnte, noch lieblicher gemacht durch die Hindernisse. Die Kirche des Lichts verehrte das Gleißen der Leere, aber davor scheute man in Gaudry zurück. Wenn Rollo an seine Jahre dort zurückdachte, schämte er sich vor sich selbst, weil er weinte. Dann legte er sich nieder und drehte das Gesicht der Mauer zu, denn er wusste, dass man ihn die ganze Zeit über beobachtete.
    Er war gewarnt worden, was geschehen würde. Man hatte ihm von dem berüchtigten Ezechiel Pottenger erzählt. Die Schwesternhatten ihm sogar Proben von der Lieblingsfolter dieses Ungeheuers angeboten, Handschellen und Haken. Er hatte sich geweigert, hatte befürchtet, dass es seinen Willen schwächen würde, der Göttin zu dienen. Seine Vorstellungskraft war leider, leider sehr weit hinter der Wirklichkeit zurückgeblieben. Ihm war nicht klar gewesen, dass Menschen dermaßen hassen konnten, dass sie ihren Mitmenschen so etwas antäten.
    Er hatte gewusst, dass man ihn gefangen nähme. Das war seine Absicht gewesen.
Oh, heilige Mutter, wie lange muss ich durchhalten? Schenke mir die Kraft zum Durchhalten!
    Der Direktor hielt sein Versprechen eines frühen Beginns ein. Der Himmel oben war noch kaum blau geworden, und die langsam sich drehenden Laternen brannten nach wie vor. Rollo lag zusammengerollt auf seinem Stroh, als er Schloss und Riegel klappern hörte. Zuerst erschien natürlich der taube Zwerg, der ihm den Sack über den Kopf stülpte. Dann die Reihe aus mehreren Männern.
    Als Pottenger das Wort ergriff, stand er sehr nahe, unmittelbar über dem Gefangenen. »Noch mal überlegt? Schon bereit zum Reden?«
    Rollo kämpfte sein Entsetzen nieder. »Geh heim und nimm dir mal deine Mutter kräftig vor!«
    Der Direktor spuckte. »Wenn du nicht mehr zustande bringst, sollte es nicht allzu lang dauern. Hängt ihn auf, Jungs!«
    Er konnte nicht einmal ohne Hilfe aufstehen, also behandelten sie ihn wie ein Stück Fleisch, schleiften ihn durch die Zelle und hängten ihn an seinen Haken. Sie knebelten ihn und entfernten die Binde über den Augen. Sie traten den Hocker beiseite.
Oh, du Göttin!
Es war schlimmer, schlimmer denn je zuvor. Er schluchzte.
    »Gut, gut! Dann trällere mal los, kleiner Vogel. Bald wirst du mein Lied singen.« Pottenger machte auf dem Absatz kehrt. »Ihr kennt die Übung. Sagt mir Bescheid, wenn er reden möchte oder zum zweiten Mal das Bewusstsein verliert.« Und ging hinaus.
    Die Grotte der Prälatin lag in tiefem Schatten; sogar für ihn, dessen Sehfähigkeit des Nachts eine Eule beschämen würde, war sie düster. Er blieb wenige Schritte entfernt von der alten Frau stehen und neigte den Kopf. Keinem Sterblichen in Gaudry erwies man größeren Respekt. Knien tat man nur vor der Mutter persönlich, an ihren heiligen Stätten. Die Luft war erfüllt vom Duft nach Lehm. Wasser tröpfelte, und in der Nähe ertönte Vogelgesang.
    Die Prälatin war sehr alt, eine winzige, plumpe Frau, selten zu sehen außerhalb dieser Grotte hier, ihrem Rückzugsort. Ihr Name war längst vergessen. In Gaudry war sie schlicht »die Prälatin«. Wenn draußen jemand irgendwann von ihr sprechen musste, so war sie »Prälatin Gaudry«. Es gab auch eine allerhöchste Erz-Prälatin Xennia sowie, zumindest in der Theorie, nach wie vor eine Prälatin Albi.
    Sie saß mit gekreuzten Beinen da, eine menschliche Verkörperung ihrer Göttin. Die irdische Mutter wurde stets als vollbusige Frau mit liebevollem Lächeln dargestellt, aber als die Prälatin das Wort ergriff, klang ihre Stimme ausdruckslos und ohne Freude.
    »Setz dich, mein Kind.«
    Rollo legte die langen Beine unter sich, ließ sich auf dem sandigen Boden nieder und verschränkte die Hände im Schoß. Er wartete geduldig zu hören, weswegen er gerufen worden war. Das Leben in Gaudry ging seinen eigenen gemächlichen Gang. Er würde glücklich eine Stunde dort sitzen, falls nötig, und den

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