Dunkles Licht
gebleckt.
Rrrr!
Streiter versuchte auszutreten – vergebens. Erneut jagte der Möchtegern-Wolf zumAngriff heran. Streiter schnaubte gereizt und trat beiseite. Kaum hatte er den Kopf gesenkt und wollte einen weiteren Bissen des leckeren Frühlingsgrases ausrupfen, da attackierte ihn sein Quälgeist erneut, knurrend und heftig jaulend. Verärgert trat das Pony mehrmals mit beiden Hufen aus, aber nichts half. Binnen weniger Minuten sah man Streiter über den Pfad davonlaufen, verfolgt von einem wütenden schwarzen flaumigen Etwas.
»Ruß!«, jammerte Brat und setzte sich auf. »Was tut er da, Weise?«
»Er sorgt dafür, dass du hierbleibst, mein junger Brat.«
Sein Kopf fuhr auf dem schlanken Hals herum. Einen Moment lang starrte er zu ihr auf, bevor er vorsichtig fragte: »Warum?«
»Du weißt, was ein Führer ist?«
»So in etwa.«
Felix stolzierte aus dem Häuschen und streckte sich. Dann ging er zu Brat hinüber und rieb sich an ihm. Der Junge streichelte ihn. Er wusste es! Sein Gesicht wurde bleich, aber er schwieg nach wie vor.
»Du kannst mir vertrauen; ich bin eine Weise. Die weise Edith hat mir gesagt, dass Maddy für ihre Stunde zu ihr käme. Die Priester haben einen anderen Namen für unsere Führer.«
»Und, welchen?«
Er
prüfte
sie!
»Vertraute. Felix ist meiner.«
Sein Lächeln war so breit und glänzend wie der Spote bei Flut. »Du willst damit sagen, Ruß ist mein
Führer?
Ich habe einen Führer wie der Rabe des Vogts? Wie Maddys Maus?«
Frieda nickte, einen Kloß in der Kehle. Wenn er mit elf einen so guten Führer wie Ruß an sich gebunden hatte, wäre er mit zwanzig ein legendärer Adept. Wie gern würde sie das noch erleben!
»Rollo hat einen Wanderfalken! Er trägt ihn manchmal ohne Handschuh herum! Ich erinnere mich.«
Ein hechelnder Welpe trabte auf die Lichtung zurück. Er wirkte zufrieden.
So viel zu diesem unvernünftigen Tier …
»Ruß!«, rief sein Schutzbefohlener. »Du weißt, dass du mein Führer bist?«
Der Welpe sprang auf ihn zu, traf ihn wie eine Kanonenkugel und warf ihn hintüber. Der kleine, verlorene Junge quietschte vor Freude, als ihm sein Führer heftig das Gesicht sauber leckte.
Kapitel 9
Rollo schlief wenig, was seit seiner Gefangennahme völlig normal war. Die Pein in seinen Handgelenken währte fort. Sie ließ sich nicht mit dem vergleichen, was er erlitten hatte, während er an der Mauer gehangen hatte, aber sie vereinnahmte nach wie vor alles. Er konnte seine Hände nicht gebrauchen, nicht einmal dazu, sich die zahllosen Flohbisse zu kratzen. Ein paar Tage dieser Behandlung, und der Verlust wäre dauerhaft. Diese Furcht war natürlich Teil der Behandlung. Wozu wäre ein Mann ohne Hände nutze?
Wie lange könnte er durchhalten? Er konnte seinen Fängern nicht sagen, was sie wissen wollten, weil es auf ihre Fragen keine Antworten gab. Er war nicht zu irgendwem ausgeschickt oder zu einem konspirativen Haus irgendwo geleitet worden, wie sie annahmen. Er könnte freiwillig andere Informationen bieten, die für sie wahrscheinlich ebenso wertvoll wären wie das, was sie haben wollten, aber sie würden einfach wieder von vorn anfangen und wieder und wieder dieselben Fragen stellen. Dann hätte er seinen Glauben ebenso verraten wie das Vertrauen seiner Oberen und nichts gewonnen.
Die Mutter war großzügig mit ihren Gaben für Rollo Woodbridge gewesen, aber keines seiner Talente konnte ihm aus seinergegenwärtigen Klemme heraushelfen. Pottenger wusste offensichtlich alles über die Gabe der Beherrschung, weshalb er zusätzliche Wachen draußen postierte, wenn er die Zelle betrat, und weswegen der Gefangene im Beisein eines anderen stets eine Binde um die Augen oder einen Knebel in den Mund bekam. Rollo konnte eine Person binden, aber nicht zwei gleichzeitig, wenn sie nicht sehr dicht zusammen standen. Das wussten sie. Bis er Pottenger bewältigt hätte, hätte ihm ein Wächter den Schädel eingeschlagen.
Wonach es ihn genau in diesem Augenblick am allermeisten verlangte, war das Talent, das man »Rütteln« nannte. Ihm waren nur zwei Menschen begegnet, die rütteln konnten – eine Weise in Albi und eine Schwester in Gaudry, in Xennia. Beide konnten Schlösser mit einem Blick öffnen. Das wäre gerade jetzt eine praktische Sache, um die Handschellen abzubekommen, bevor das goldene Gift ihn noch weiter schwächte.
Außerstande zu schlafen, lehnte er sich gegen die kalte Steinmauer und starrte die schreckliche Trostlosigkeit seiner Zelle an. Der Fußboden
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