Dunkles Spiel der Leidenschaft
zweiten Kidnapper an. Der Mann
befand sich auf der anderen Seite des Raumes und hatte vom Geschick seines
Partners nichts mitbekommen. Zwei Mal hob er vorsichtig den Saum des Vorhangs
und spähte in die dunkle Nacht hinaus. Der Leopard konnte ihn riechen, konnte
seine Atemzüge hören, seine Bewegungen, die seine Position verrieten, da er
ständig sein Gewicht verlagerte, um seine verspannten Muskeln zu lockern und
aufmerksam zu bleiben. Auch dieser Mann streichelte seine Waffe, während er
sich ausmalte, was er mit den beiden Frauen machen würde, wenn er sie erst
einmal in seiner Gewalt hatte.
Der Leopard schlich weiter, bis er nur noch wenige
Schritte von seinem Opfer entfernt war und sich tief auf den Boden kauerte. Die
schwere Raubkatze verharrte regungslos in dieser Stellung, die Augen
unverwandt auf seine Beute gerichtet. Der Mann drehte sich um und schaute das
Tier direkt an, ohne es zu sehen, ohne auch nur das Geringste wahrzunehmen.
Dayan wartete mit all der Geduld, die er sich in seinen tausend Jahren als
Jäger eiworben hatte. Für ihn war der Kreislauf des Lebens unendlich, und er
hatte alle Zeit der Welt. Unbewegt beobachtete er, wie sich der Eindringling
wieder umdrehte, ohne die Leiche seines Partners zu sehen oder die Gefahr zu
erkennen, die ihm selbst drohte.
Wieder bewegte sich der Leopard völlig lautlos in
seine Richtung. Er hatte unzählige Male eine Beute verfolgt und seine Gegner
immer wieder geschlagen. Die unerbittlichen schwarzen Augen wichen nicht eine
Sekunde von ihrem Ziel. Als er nahe genug war, machte er sich zum Angriffsbereit.
Er schlug hart zu, indem er direkt auf die Kehle zielte, um den Mann so schnell
wie möglich zu töten, aber diesmal veränderte er noch während des Angriffs
seine Gestalt und neigte den Kopf, um von seinem Opfer zu trinken.
Sofort jagte das adrenalingeladene Blut wie ein
Feuerball durch sein Inneres. Das Verbotene. Berauschend und Sucht erregend wie eine Droge. Er war hungrig und trank gierig,
während sich das Tier in ihm regte und um die Oberhand rang. Dayan hielt das
Gewicht des Mannes unerschütterlich in seinen starken Händen und dachte
bewusst an Corinne. Sie war sein Anker, sie gab ihm Sicherheit. Sie war da, um
zu gewährleisten, dass er die Grenze nicht überschritt und zu dem wurde, was
dieser Mann jagte: ein Vampir, ein Untoter. Dayan war Karpatianer, so alt wie
die Zeit selbst, einer vom uralten Stamm, der auf der Suche nach seiner
Gefährtin war. Ohne sie würde er irgendwann gezwungen sein, die Morgendämmerung
zu suchen oder seine Seele aufzugeben und zum Vampir zu werden.
Das Blut strömte durch seine Adern, belebte Zellen und
Muskeln und Gewebe, durchtränkte seinen ganzen Köiper und versetzte ihn in eine
trügerische Hochstimmung. Alles in ihm schrie nach mehr, verlangte nach
Nahrung, während die Lebenskraft aus dem leblosen Körper in seinen Armen
schwand. Corinne. Er rief im Geist ihren
Namen, weil er Kraft brauchte, um dem wilden Trieb in seinem Inneren Widerstand
zu leisten. Eine kühle Brise schien den Weg zu seiner erhitzten Haut zu finden. Corinne. Er konnte ihr Gesicht sehen, das sich
bis ins kleinste Detail in sein Gedächtnis eingeprägt hatte. Ihre samtweiche Haut,
die darum bettelte, von ihm berührt zu werden. Ihre moosgrünen Augen, von einer
Farbe, die ebenso unge- wohnlich war wie sie selbst. Das Licht, das aus ihrem
Inneren herausstrahlte. Corinne. Er konnte sie fühlen, und das war genug. Dayan verschloss
die Bisswunde mit seinem heilenden Speichel und ließ den Mann sterben. Das
Tier in ihm tobte noch einen Moment lang, wehrte sich, wollte mehr, wollte sich
selbst verschlingen, aber Dayan ignorierte die schrecklichen Einflüsterungen
und konzentrierte seine Gedanken auf Corinne.
Ihr Mund. Das bezaubernde Grübchen, das kam und ging.
Die Art, wie sich ihre Lippen zu einem Lächeln verzogen. Sie waren wie
geschaffen zum Küssen. Er sah sich in dem weitläufigen Haus um. Corinnes Haus.
Er atmete ihren Duft ein, als er durch die Zimmer schlenderte. Das Haus hatte
hohe, gewölbte Decken, viel Holz und war sehr sauber und ordentlich. Dayan
wusste instinktiv, dass es Corinne war, die sich um den Haushalt kümmerte. In
Lisas Zimmer lagen Kleidungsstücke auf dem Fußboden verstreut und hingen über
Sesseln. Lippenstifte und andere Kosmetikartikel waren auf einer Kommode
verteilt, über der ein großer, vergoldeter Spiegel hing. Lisas Duft schwebte in
der Luft, und zwei gerahmte Fotografien waren zu sehen. Eine von ihnen
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