Dunkles Spiel der Leidenschaft
der Stadt fand er, was er suchte,
einen dichten Wald. Dayan ließ sich auf die Erde sinken, wo sich seine Flügel
sofort in Nichts auflösten und er seine eigene Gestalt annahm. Mit einer
einzigen Handbewegung öffnete er die Erde, ließ die beiden Leichen in den
tiefen Abgrund fallen und warf die zerstörten Pistolen hinterher. Dann
entfachte er einen Sturm. Dunkle Gewitterwolken türmten sich am Himmel, die
Luft knisterte vor Elektrizität, und grelle Blitze zuckten von einer Wolke zur
anderen, bevor sie wie Pfeile in den Abgrund schössen und beide Leichen in
Brand setzten. Niemand würde dieses Grab jemals finden. Mit einer weiteren
Handbewegung schloss Dayan die Erde über der
schwelenden Asche. Der Wind wehte Blätter und Zweige über den Boden, sodass es
aussah, als wäre die Stelle seit Jahren unberührt.
Dayan beendete den Sturm und flog in Gestalt einer
Eule schnell zu dem sicheren Haus, wo Cullen mit Lisa und Corinne wartete. Er
sehnte sich danach, wieder bei ihr zu sein und mit eigenen Augen zu sehen, dass
sie wirklich vorhanden und nicht nur ein Produkt seiner Fantasie war.
Kapitel 3
Corinne saß zusammengerollt in einem dick gepolsterten
Sessel, die Füße unter sich gezogen und den Kopf auf einen Arm gestützt. Ihr
Haar wogte wie ein seidener Vorhang um ihr Gesicht. Sie saß im Dunkeln und
wartete. Innerlich zitterte sie, und ihr Herz schlug in einem unregelmäßigen
Rhythmus.
Lisa und Cullen hatten sich noch eine ganze Weile in
dem kleinen Schlafzimmer unterhalten, das vom Flur abging, bevor Lisa
schließlich eingeschlafen war. Irgendwann legte sich Cullen neben sie und
döste ebenfalls ein, einen Arm schützend um Lisas Taille gelegt.
Corinne wartete. Die Angst in ihrem Inneren hämmerte
wie eine Trommel, genauso unregelmäßig wie ihr Herzschlag. Sie hatte keine
Ahnung, wie sie sich gefühlsmäßig derart auf einen völlig fremden Menschen
hatte einlassen können. Jede Zelle ihres Körpers verlangte danach zu wissen,
dass ihm nichts zugestoßen war. Sie konnte sich an jedes Detail seiner Gesichtszüge
erinnern, an jeden noch so flüchtigen Ausdruck. Ohne ihn fühlte sie sich
verängstigt und allein, und das war ganz und gar untypisch für sie.
Corinne wusste selbst nicht, was sie davon halten
sollte. Sie war es, die sich immer um die Probleme des Alltags kümmerte. Sie
vereinbarte Termine und zahlte Rechnungen, sie sorgte dafür, dass Lisa dort
war, wo sie sein sollte, und dass Johns Geschäft reibungslos lief. Sie
verliebte sich nicht einfach in große, gut aussehende Fremde, schon gar nicht
in einen, der so berühmt war wie Dayan. Sie schrieb zwar für etliche bekannte
Musiker Songs, aber sie war nie auf die Idee gekommen, sich von einem von ihnen
beeindrucken zu lassen.
Sie hatte nichts außer ihrem eigenen Herzschlag
gehört, doch als sie aufblickte, stand Dayan vor ihr, groß und stark und
lebendig. Luft strömte in ihre Lungen, und sie konnte wieder frei atmen.
Corinne verspürte das unerwartete und absolut unerklärliche Verlangen, die
Konturen seines Gesichts mit den Fingerspitzen nachzuzeichnen. Sie brauchte es,
ihn zu berühren, sich zu vergewissern, dass er unverletzt war. Ein kleines
Lächeln fand zu ihrem weichen Mund. »Ich habe mir Sorgen um dich gemacht.«
Dayan legte eine Hand an ihre seidenweiche Wange. Die
Berührung weckte in ihm den Wunsch nach mehr, und sein Magen vollführte einen
komischen, kleinen Satz. »Dafür gab es keinen Grund, Corinne, doch ich danke
dir trotzdem für deine Anteilnahme.« Aus seinem Mund klang ihr Name wie ein
Kosewort.
Sie schüttelte den Kopf, fassungslos, wie stark sie
auf ihn reagierte. Er war wirklich mörderisch. Niemand hatte sie je so
angeschaut wie er. Seine Augen waren eindringlich, rätselhaft, dunkel,
gefährlich und geheimnisvoll. Sie glitten über ihr Gesicht, besitzergreifend
und ... hungrig. Konnte irgendjemand einem derartigen Verlangen widerstehen,
einem so drängenden Begehren? »Ich hätte die Polizei rufen sollen«, sagte sie
hastig. »Ich verstehe nicht, wie ich mich von Cullen überreden lassen konnte.
Ich höre sonst nie auf jemanden, der nicht logisch argumentiert, aber er war
sehr überzeugend.«
»Das ist schon in Ordnung«, meinte Dayan leise.
Sie spähte unter ihren langen Wimpern hervor. »Du bist
nicht zufällig so was wie ein Krimineller, oder? Das scheint die einzige
Erklärung für Cullens Verhalten zu sein.«
Wieder lächelte er, und seine Lippen verzogen sich zu
einer sinnlich geschwungenen Linie.
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