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Dunkles

Titel: Dunkles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tommie Goerz
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hinab, in eine Senke, das war ihm noch nie so bewusst gewesen.
    »Haben wir Wasser im Auto?«, fragte er.
    »Einen Reservekanister vielleicht mit Benzin. Aber Wasser? Nee, gehört nicht zur Pflichtausstattung, steht nicht in der Vorschrift.« Wenn Jaczek das sagte, dann stimmte es. Sie waren kurz vor dem Fuß des leicht abschüssigen Teils der Autobahn angelangt, hier unten wirkte sie wieder normal, einfach wie eine Autobahn. Behütuns steuerte den Wagen nach rechts, trat auf die Bremse und blendete auf. Bog in den Parkplatz ein.
    »Ich seh nichts mehr«, sagte er. Langsam fuhr er an den dort rastenden LKWs vorbei, die ihre Ruhepausen einhielten. Ganz vorne stand ein Fahrer und pisste an seine Reifen. Genau das, was er suchte. Er hielt neben ihm an. Was musste der jetzt bloß denken, ging es ihm durch den Kopf, pisst hier an seinen Reifen, und es kommt plötzlich einer mit Blaulicht.
    »Lass mal die Scheibe runter«, forderte Behütuns seinen Kollegen auf.
    »Der Knopf ist bei dir, meiner ist gesperrt«, kam als Antwort.
    »Wo soll der sein?«, fragte Behütuns zurück, sich der Komik der Situation durchaus bewusst. Er fühlte sich für diese Autos manchmal einfach zu blöd.
    »Irgendwo links an der Tür.«
    Behütuns fingerte hilflos an der Türverkleidung herum. Ein Ärgernis ist das mit den neumodischen Autos, dachte er, für jedes brauchst du einen Extrakurs. Früher hast du einfach die Kurbel in die Hand genommen und gedreht, heute brauchst du ein Examen. Und wenn so ein Scheißding mal kaputt ist, zahlst du gleich 600 Euro. Weil das jetzt Module sind, nicht mehr nur Kurbeln. Und für was? Damit du dich fühlst wie ein Herr. Dass es auf Befehl nur noch »ssssrrrr« macht und dir gehorcht. Den Leuten fehlt doch irgendwas, oder?
    Jaczek hatte sich inzwischen herübergebeugt und den Schalter betätigt. Mit einem kaum hörbaren »Ssshhh« – Das ist ja noch nobler!, dachte Behütuns – glitt die Scheibe hinunter. Der LKW-Fahrer pinkelte immer noch im gleichmäßig aufleuchtenden Blaulicht gegen seinen Reifen.
    »Haben Sie Wasser?«, rief Behütuns hinaus.
    Der Fahrer zuckte nur mit den Schultern, über die er nach hinten sah.
    »Isch nix viel doitsch.«
    »Wasser. Agua, acqua, water, eau«, was sich anhörte wie »oh«, »W-a-s-s-e-r!«, sprach Behütuns es ganz deutlich aus.
    Der LKW-Fahrer schien fertig zu sein und zog, sich mehrfach auf die Zehenspitzen stellend und die Schultern durchdrückend, seinen Hosenstall zu. Wischte sich die Hände an der Hose ab und drehte sich um.
    »Isch Iwanitsch«, sagte er breit grinsend und reichte Jaczek die Hand durchs offene Fenster. Die nahm selbst Jaczek nicht an, sondern wich zurück.
    Der Kerl hat Dreck am Stecken, überkam es Behütuns unwillkürlich. So selbstsicher und unbefangen, wie der sich gibt. Schade, dass ich keine Zeit hab.
    Und dann dachte er noch: Der will uns doch für doof verkaufen. Dazu aber hatte er keine Lust, stieg aus, zeigte auf seine verschmierte Scheibe und wiederholte noch einmal: »W-a-s-s-e-r. For cleaning Scheibe. Machen sauber, verstehen? Schnell, schnell!«, und deutete auf das Blaulicht auf seinem Dach, das stoisch weiterblinkte. »Polizei«, als ob das den Iliuwitschko, oder wie der sich nannte, beeindruckte.
    Der Fahrer verstand nichts und verstand doch, er sah ja die verschmierte Scheibe. Stieg umständlich in sein Führerhaus und reichte Jaczek eine Flasche Wasser herunter. So von oben herab auf die Polizei, das gefiel ihm gut. Jaczek schüttete das Wasser über die Scheibe, und Behütuns ließ den Wischer laufen. Dann wischte er noch das Blatt mit den Resten der Falterleiche ab.
    »Wir können!«, rief Behütuns Jaczek zu. Der gab dem Fahrer die Flasche zurück und reichte ihm, jetzt doch, zum Dank die Hand. Typisch Jaczek. Die Polizei im Einsatz, dabei immer freundlich und korrekt. Der Fahrer lachte und sagte von oben herab: »Polizei isch helfen gutt.« Der Kerl konnte viel mehr Deutsch, als er vorgab, dachte Behütuns. Würde ich aber auch nicht anders machen.
    Jetzt war die Sicht wieder frei, und Behütuns drückte durch. Bei Eitersdorf polterten die Reifen. Ganze Stücke fehlten in der Oberschicht des Asphalts. Deutsche Autobahn. Behütuns fuhr auf die Überholspur.
    »Der Wagen steht«, berichtete Jaczek, den Blick auf dem Monitor.
    »Ampel?«, fragte Behütuns.
    »Keine Ahnung. Das Signal ist weg.«
    »Wie weg?«
    »Das Signal ist weg. Kein Signal mehr.«
    »?«
    »Ich habe nur den letzten Standort.«
    »Hängt der Computer

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