Duo Infernale
oder eine Hand. Sie blieb einfach starr liegen.
Es kostete mich schon eine gewisse Überwindung, an ihre Liege zu treten. Ich bat Jane Collins zurückzubleiben, was sie auch tat. Sie war sicherlich froh darüber.
Ich schaute mir Marcia aus der Nähe an. Dabei versuchte ich, die zahlreichen Würmer zu übersehen und mich einzig und allein auf das andere in ihrem Gesicht zu konzentrieren. Es war nicht einfach für mich, aber ich schaffte es und beschäftigte mich mit den Augen, die aussahen wie Kieselsteine.
Nein, da war kein Leben mehr. Kein menschliches. Das Leben hatte hier eine andere Form bekommen. Es wurde allein durch die weißen Würmer transportiert, die sich durch nichts aufhalten ließen und es jetzt auch schafften, die Haut zu durchbrechen.
Es sah einfach eklig aus, und ich musste schlucken. Es gab kein Geschwür am Körper der Frau, aus dem die Würmer nicht hervorgekrochen waren. Sie schienen regelrecht auf diese Ausgänge gewartet zu haben, denn jetzt konnten sie den Körper auch von außen zerstören. Sie würden die Arbeit übernehmen, die sonst den Lebewesen innerhalb der Graberde vorbehalten blieb.
Der Anblick war nicht so erhebend, dass ich ihn mir freiwillig noch länger antat. Deshalb drehte ich mich mit einer langsamen Bewegung um und ging zurück zu Jane Collins.
Sie hatte sich nicht bewegt. Sie sagte auch nichts. Die Lippen hielt sie zusammengepresst und traf auch keine Anstalten, den Schweiß von ihrem Gesicht zu wischen. Eine Frage brauchte sie mir nicht zu stellen. Ich hob einfach nur die Schultern, da wusste die Detektivin Bescheid.
»Es war ihr Schicksal«, flüsterte ich. »Sie ist ausersehen worden. Man braucht sie nicht mehr, denn ihre Erben sind nach wie vor auf dieser Welt.«
»Und haben sich der Hölle angepasst!«, brachte Jane flüsternd hervor.
»Du sagst es.«
»Sie sind in Genf.«
»Ja.«
Jane schloss für einen Moment die Augen. Dabei sprach sie, aber sie nahm das Thema nicht mehr auf, sondern flüsterte nur: »Ich will hier nicht länger bleiben. Lass uns gehen. Erst mal frische Luft schnappen und dann zurück.«
Dagegen hatte ich nichts, aber ich dachte jetzt daran, dass wir nicht allein auf dem Boot waren. Es gab immerhin noch den Steuermann mit dem Namen Boris. Ich kannte ihn nicht näher, doch ich ging davon aus, dass er jemand war, der ebenfalls auf Marcia’s Seite gestanden hatte und wahrscheinlich sogar eingeweiht gewesen war. Schließlich war er ihr Pfleger gewesen.
»Komm...«
»Moment, Jane. Da gibt es noch diesen Boris.«
»Ja. Er wird uns an Land bringen.«
Davon war ich noch nicht überzeugt. »Kennst du ihn näher? Hat Marcia etwas über ihn gesagt?«
»Nein, das hat sie nicht. Aber sie hat ihm voll vertraut. Schließlich wurde er geschickt, um auf sie aufzupassen. Er war auch so etwas wie ein Pfleger.«
»Aber mehr Aufpasser, denke ich.«
Für die Dauer einiger Sekunden schwiegen wir. Jane Collins dachte nicht daran, etwas zu sagen. Sie überlegte, und ich sah es ihrem Gesicht an, dass sie auch zu einem Ergebnis gekommen war.
»Meinst du, dass er uns...«
»Ich weiß es nicht, Jane. Allerdings hüte ich mich davor, ihm Vertrauen entgegenzubringen. Menschen wie er sind treu bis in den Tod. Das kannst du durchaus wörtlich nehmen.«
»Ja, verstanden.«
»Ist er bewaffnet?«, fragte ich.
Sie zuckte die Achseln. »Gesehen habe ich nichts. Aber wir können auch nichts ausschließen. Er hat sich immer im Hintergrund aufgehalten. Ich habe auch kaum ein Wort mit ihm gesprochen. Nur mochte ich seine Blicke nicht. Er wollte alles kontrollieren, das ist mir schon aufgefallen.«
»Okay, Jane. Verlassen wir die ungastliche Stätte und schauen uns mal an Deck um.«
»Endlich raus hier«, keuchte sie und wollte an mir Vorbeigehen.
Dafür hatte ich Verständnis, in diesem Fall weniger. Da war es besser, wenn ich den Anfang machte.
Ich hielt sie zurück, erklärte es ihr, und Jane zeigte sich auch einverstanden.
Wir warfen keinen Blick mehr zurück auf die Tote. Ihr Leib gehörte den Würmern, und ich war sicher, dass sie auch von niemandem vermisst wurde. Von den beiden Töchtern erst recht nicht.
Auf dem Deck war es still. Das heißt, die normalen Geräusche fielen mir schon auf. Wir hörten das Wasser, wir konnten endlich wieder die normale und frische Luft einatmen, die uns entgegenwehte und der reinste Balsam war.
Boris ließ sich nicht blicken. Ich kletterte vorsichtig an Deck, blickte mich dort um, und erst als ich niemanden sah, gab ich
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