Duo Infernale
Jane das Zeichen, mir zu folgen.
Sie war schnell bei mir. Ich hörte sie heftig atmen, da war ich schon zur Seite getreten und suchte Boris.
Er war nicht zu sehen!
Okay, ich hatte noch nicht in das Ruderhaus geschaut. Da musste ich zunächst am Aufbau vorbei in Richtung Bug gehen, wo der Steuerstand seinen erhöhten Platz hatte, deshalb machte ich mir auch nicht zu viele Gedanken, aber ich lauschte auf mein Gefühl, und das sagte mir, dass etwas nicht stimmte.
Jetzt zog ich doch die Beretta.
Es war dunkler geworden. Wenn auch nicht völlig dunkel. An den Ufern des Sees schimmerten die Lichtinseln der kleinen Orte. Sie hatten ihr Festtagsgewand angelegt, als wollten sie sich von Ufer zu Ufer grüßen.
Der Himmel hatte sich mit dunkelgrauen Wolken zugezogen. Auch der Wind war wieder abgeflaut. Das Wasser glich jetzt einer dunklen Fläche, die alles, was sie hätte aufhellen können, in die Tiefe gezogen hatte, um es dort zu verstecken.
Es waren auch jetzt noch Boote unterwegs. Ihre Zahl hatte jedoch abgenommen. Ihre Positionslichter sahen aus, als würden sie über dem Wasser schweben.
Mich trieb es zum Steuerhaus, und auch Jane Collins blieb in meiner Nähe. Ihre Schritte hörte ich dicht hinter mir, machte ihr aber klar, dass sie Zurückbleiben sollte.
Das Steuerhaus stand erhöht. Ich musste die Sprossen einer Leiter hochgehen. Aber ich konnte auch von unten einen Blick aus in den zur Rückseite hin offenen Unterstand werfen.
Er war leer!
Niemand stand am Ruder. Niemand malte sich ab, und ich wusste nicht, ob ich mich darüber freuen sollte oder nicht.
Jane Collins, die weniger gesehen hatte als ich, wunderte sich darüber, dass ich nicht weiterging. Sie erkundigte sich mit Flüsterstimme nach dem Grund.
»Es steht niemand am Ruder.«
»Was?« Sie schob sich jetzt neben mich und schaute ebenfalls hoch. »Und Boris?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung.«
»Aber er ist doch nicht verschwunden. Was hätte das für einen Sinn?«
»Darüber möchte ich nicht nachdenken, Jane. Es wird am besten sein, wenn ich mal nachschaue. Viele Verstecke gibt es hier ja nicht. Bleib du hier unten und decke mir den Rücken.«
»Okay.«
Ich steckte die Beretta wieder weg, weil ich meine Hände frei haben wollte. Dann stieg ich leise hoch, den Blick in die Höhe gerichtet. Wenn sich im Ruderstand etwas bewegte, würde ich es sehen, das stand fest.
Ich entdeckte keinen Boris. Der Ruderstand war leer. Kein Schiffsmotor tuckerte. Kein Licht wehte über das Ruder und die Armaturen hinweg. Es brannte nicht mal so etwas wie eine Notbeleuchtung.
Ich betrat den Ruderstand, duckte mich leicht und wurde auf etwas aufmerksam, das mich von der linken Seite erreichte. Es war ein Licht, aber mehr ein Schimmer mit einem leicht grünlichen Farbton, nicht mehr als ein Hauch.
Ich drehte mich herum. Es war schon ungewöhnlich, hier nur diese eine Lichtquelle zu haben, und die leuchtete bestimmt nicht ohne Grund.
Schon in der Linksdrehung fiel mir der dunkle Kasten auf, der auf einer schmalen Sitzbank stand. Er gab das Leuchten ab. Allerdings nicht der Kasten, sondern die Zahlen der Digitalanzeige auf seiner Oberfläche. Sie liefen rückwärts. Es war eine Angabe in Minuten und Sekunden.
Für einen Moment herrschte Leere in meinem Kopf. Da kam ich einfach nicht weiter, bis ich etwas hörte, das durchaus ein Ticken sein konnte. Ob ich es mir einbildete, wusste ich nicht, aber mir war klar, dass der Kasten dort nicht so harmlos war wie er aussah.
Es war eine Zeitbombe!
Plötzlich schrillten in meinem Kopf alle Alarmanlagen. Auf einmal war ich übernervös und trotzdem ganz ruhig. Zudem hatte ich das Gefühl, aus dem normalen Leben herausgerissen worden zu sein und mitten in einem Film zu stehen, in dem die Hauptfigur sich plötzlich in die Enge getrieben sieht und ihr nur kurze Zeit bleibt, um ihr Leben zu retten.
Auch hier lief die Zeit ab!
Ich zwang mich zur Ruhe.
Die Zahlen liefen rückwärts.
Zwei Minuten und zehn Sekunden!
Was tun?
Ich wusste, dass nach Ablauf dieser Zeit die Bombe explodieren würde. Sie würde nicht nur das Boot zerfetzen, sondern auch uns, wenn wir blieben.
Wir konnten ins Wasser springen und das Boot der Bombe überlassen. Aber es gab auch noch eine zweite Möglichkeit, und die gefiel mir besser. Die Bombe anheben und über Bord ins Wasser werfen. Sie würde sinken und unter Wasser hochgehen, sofern die Flüssigkeit nicht den Zünder zerstörte. Sie war nicht auf Ruhe geeicht, denn ein Boot
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