Duo Infernale
Nächte. Den ersten Durst hatte ich mit einer Flasche Bier aus der Minibar gelöscht und konnte jetzt den Wein umso besser genießen.
»Es sind Artistinnen, John.«
»Ich weiß.«
»Duo Infernale.«
»Hört sich gut an.«
Jane lachte. »Gut? Nein, John, das hört sich verdammt gefährlich an.«
»Weißt du denn, weshalb man den Schwestern diesen Namen gegeben hat?«
»Das haben sie selbst getan. Was sie machen, ist infernalisch. Sie bewegen sich auf dem Hochseil. Aber nicht wie normale Seilartisten, sondern wesentlich anders.«
»Wie denn?«, fragte ich nach dem nächsten Schluck Wein.
Jane schaute wieder über den See und auch zum dunklen Himmel. »Ich weiß es nicht genau, aber sie treten nicht in einem Zelt auf. Sie tanzen über das Seil hinweg, und das passiert im Freien, während unter ihnen Straßen und Plätze liegen, und vielleicht Wasser, wie es in Genf durchaus der Fall sein kann.«
»Dann müssen sie nur Acht geben, dass sie nicht von der Fontäne weggeweht werden.«
»Da brauchst du keine Sorge zu haben. Wie mir Marcia sagte, sind sie absolute Spitze, und sie haben ja auch einen verdammt starken Beschützer im Rücken.«
»Denkst du an den Teufel?«
»An ihren Vater. Wer immer das ist.« Jane trank, stellte das Glas weg und reckte sich. Dann sagte sie: »Wir sitzen hier, und in London wartet jemand auf meinen Anruf.«
»Sarah Goldwyn?«
»Wer sonst.« Jane stand schon auf. »Ich habe ihr versprochen, mich jeden Abend zu melden. Wie ich sie kenne, liegt sie noch nicht im Bett und wartet voller Sehnsucht auf den Anruf wie ein Teenager auf den seines Freundes.«
»Bestell ihr einen schönen Gruß.«
»Mach ich glatt, John. Es wird sie bestimmt beruhigen, dass du in meiner Nähe bist.«
»Oder auch nicht.«
»Wieso?« Jane stand schon an der offenen Balkontür.
»Sie wird behaupten, dass sich dort, wo ich bin, auch gern die Dämonen versammeln.«
»Jane zeigte ihr Essiggesicht. »Hat sie denn da Unrecht?«
»Leider nicht.«
»Ich werde ihr nichts von unserem Intermezzo auf dem See berichten.« Sie sagte es und verschwand.
Intermezzo war gut. Ich schüttelte den Kopf. Dieses Zwischenspiel hätte verdammt ins Auge gehen können. Wir hatten im letzten Augenblick noch richtig reagiert.
Die dunkle Fläche des Sees bewegte sich kaum. Am Tag war der Rasen auf dem Grundstück frisch geschnitten worden, und noch jetzt wehte mir der Wind den Geruch von Heu und Wiesenkräutern in die Nase. Irgendwo fuhr ein Zug entlang. Ich hörte das Geräusch als fernes Rauschen, und die Lichter am gegenüberliegenden Ufer waren spärlicher geworden, weil viele Menschen schon in den Betten lagen.
Auch durch die Weinberge bewegte sich kaum noch ein Scheinwerferpaar. Man schlief eben dem nächsten Tag entgegen. Im Wintergarten-Restaurant wurde es auch leiser.
Ich sah zwei einsame Spaziergänger über den Rasen schreiten. Frau und Mann hielten sich an den Händen fest. Sie gingen bis zum Steg und schauten von dort aus auf das Wasser.
Jane telefonierte. Ich hörte ihre leise Stimme, auch mal ein Lachen und dachte wieder mal daran, dass das Leben so wunderbar sein konnte, wenn es nicht die andere Seite gegeben hätte, die immer wieder zuschlug und damit wohl auch nicht aufhören würde.
Ich dachte an Genf!
Die Stadt kannte ich noch nicht und wusste nur, dass sie die kleinste Großstadt der Welt genannt wurde. Sie war international. Hier wurden Konferenzen abgehalten, hier wurde Geld versteckt, und bis nach Genf reichte auch der lange Arm der Araber und Ölmagnaten, die sich in dieser Stadt eingekauft hatten und denen viele der alten Villen am Seeufer gehörten.
Aber in London war es ähnlich. Da brauchte ich nur an das Kaufhaus HARROD’S zu denken. Das alles störte mich weniger, denn ich musste mich um andere Dinge kümmern.
Duo Infernale!
Zwei Frauen, Artistinnen. Ich kannte die Namen, aber ich wusste nicht, wie sie aussahen, und ich fragte mich, ob der Teufel tatsächlich ihr Vater gewesen war.
Das konnte sein, denn der Engel der Finsternis versuchte es immer wieder. Meine Freunde und ich hatten so schon unsere Erfahrungen sammeln können, aber bisher hatte es der Teufel nicht geschafft, einen adäquaten Nachfolger in die Welt zu schicken. Im Prinzip brauchte er das auch nicht, denn er war sich selbst genug. Aber den Versuch unternahm er immer wieder. Er setzte überall sein Zeichen, da war er wie ein Kater, der sein Revier absteckt.
Mich amüsierte der Vergleich zwischen Teufel und Kater. Ich griff
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