Duo Infernale
Detektivin umarmte mich. Sie zitterte, was ganz natürlich war. Auch ich hatte noch weiche Knie, denn ich war ebenfalls nur ein Mensch und keine Figur von einer CD-ROM.
Jane ging über Deck und hielt den Kopf gesenkt. Sie fragte: »Haben wir jetzt freie Bahn?«
»Sieht so aus.«
»Und wo geht es hin?«
»Erst mal in den Hafen.«
»Wunderbar. Anschließend...«
»Werde ich dich mit in mein Hotelzimmer nehmen. Es ist sowieso ein Doppelzimmer.«
»Schäm dich.«
»Warum?« Ich lachte. »Irgendwo müssen wir ja den Rest der Nacht verbringen.«
»Im Prinzip hast du Recht. Aber wir könnten uns auch in den Wagen setzen und nach Genf fahren.«
»Das machen wir morgen. Wo bist du eigentlich abgestiegen?«
»In Meyriez selbst. Kein so tolles Hotel wie deines, aber mit Seeblick. Ich bin mit dem Zug gekommen, weil mich Marcia abgeholt und mir auch gesagt hat, dass ich kein Auto brauche.«
»Aber nicht von London.«
»Nein, nein«, sagte sie müde. »Bis Bern bin ich schon geflogen. Der Rest war dann leicht.«
Sie lehnte jetzt am Heck, schaute in den Himmel und sagte mit leiser Stimme: »Ich finde es toll, dass ich die Sterne noch sehen kann. Auch wenn es heute Nacht nur wenige sind.«
»Die wirst du noch oft sehen.«
»Hoffentlich.«
»Komm mit mir ins Ruderhaus. Wir müssen hier weg. Man weiß nie, ob auch in der Nacht Polizeiboote über den See patrouillieren.«
»Aye, aye, Käpt’n«, erwiderte sie und folgte mir so brav wie ein Hund auf dem Fuß...
***
Ich hielt die Augen geschlossen. Der Liegestuhl war gekippt. Vom See her fächerte mir der Nachtwind ins Gesicht, und unten aus dem Restaurant mit dem angebauten Wintergarten hörte ich hin und wieder die Stimmen der Gäste, die dort noch ihr Dinner einnahmen.
Wäre ich nicht zu faul gewesen, hätte ich mir selbst auf die Schulter geklopft, aber das ließ ich bleiben. Stattdessen genoss ich den stillen Triumph, denn wir hatten es geschafft, was wirklich nicht so einfach gewesen war.
Das Boot lag im Hafen an einem der Stege, an dem wir noch einen freien Liegeplatz gefunden haben. So viel wir beide gesehen hatten, waren wir nicht beobachtet worden, denn zwischen Murten und Meyriez standen nur wenige Häuser, und um diese Zeit schliefen die meisten Menschen. Wie Diebe hatten wir uns dann von Bord gestohlen.
Jane war die Idee gekommen, ihre Hotelrechnung zu begleichen. Auch da hatten wir Glück gehabt, denn die Rezeption war nicht nur von einem Nachtportier besetzt, die Besitzerin hatte auch noch zu tun, und bei ihr war Jane ihr Geld losgeworden.
Sie hatte danach ihre Reisetasche geholt und sich verabschiedet. Was man über diese plötzliche Abreise dachte, war uns egal gewesen. Die Rechnung war bezahlt, und nur das zählte. Ob man Jane’s Abreise dann später beim Auffinden der Leiche auf dem Boot und auch der angeschwemmten in einen Kontext bringen würde, das konnte uns egal sein. Ich hatte mir vorgenommen, die Kollegen dann zu informieren, wenn wir den Fall gelöst hatten, was noch nicht feststand.
Ich hatte geduscht und mich in den Bademantel eingewickelt. Es tat gut, die Atmosphäre auf dem breiten Balkon zu genießen, auf den See zu schauen und dabei eine Flasche Wein zu trinken.
Jane Collins hatte es sich im zweiten Liegestuhl bequem gemacht. Zwischen unseren Stühlen stand die kalte Flasche Rosé in einem Kübel mit Eis, und Wein funkelte auch in unseren Gläsern.
Auch Jane war frisch geduscht und ebenfalls in einen Bademantel eingewickelt. Über das Geländer hinweg schauten wir auf den See hinaus, der so friedlich wirkte und jede bedrohliche Aura verloren hatte. Es war kaum vorzustellen, was uns vor kurzem noch dort passiert war, und wir hatten nicht mal Mitternacht.
»Wenn ich daran denke, John, was...«
»Tu es lieber nicht.« Ich drehte mich träge nach rechts und umfasste den Stiel des Glases. »Trinken wir auf unseren Erfolg und darauf, dass er uns auch in Genf treu bleibt.«
Wir stießen an. Als der helle Klang verweht war, griff Jane das Thema wieder auf. »Ich kann mir vorstellen, dass es in Genf härter wird. Wir haben es mit zwei Schwestern zu tun, mit siamesischen Zwillingen sogar, und ihr Verhältnis zueinander ist noch enger als das bei normalen Zwillingen. Das sage ich nicht nur, das behauptet auch jeder, der Ahnung von der Materie hat.«
Ich leckte mir einen Tropfen Wein von der Oberlippe. Er schmeckte ausgezeichnet, stammte aus dem Wallis, war nicht zu süß, aber auch nicht zu trocken. Der richtige Sommerwein für laue
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