Duo Infernale
habe keine Probleme, wenn du das meinst.«
Jane lächelte. »Ich im Moment auch nicht. Das schöne Wetter scheint sie alle vertrieben zu haben.«
»Wollen wir es hoffen.«
Wir aßen weiter. Mittlerweile trafen immer mehr Gäste ein, und die riesige Terrasse füllte sich allmählich. Gäste aus aller Herren Länder nahmen an den Tischen Platz. Genf ist wirklich eine internationale Stadt, die mir schon auf den ersten Blick gefallen hatte. Und meine Sicht auf die Altstadt war auch bestens.
Zwischen zwei Bissen fragte Jane: »Kennst du eigentlich die Villa Diodati am anderen Ufer, wo sich die Superreichen niedergelassen haben?«
Ich ließ mein Besteck sinken. »Ja...«, erwiderte ich, »den Namen habe ich schon mal gehört.«
»Sie ist deshalb so bekannt«, belehrte mich Jane, »weil sich ein gewisser Lord Byron dort aufgehalten hat.«
»Der sagt mir was.«
»Und alles Weitere auch?«
»Ich denke schon, Byron war bekannt für seine Feste. Für seine Spinnereien, für seine Mystik und auch für seine Gäste, die alle seine Hobbys akzeptierten. Unter anderem auch das Ehepaar Shelley. Mary Shelley verfasste den Roman Frankenstein . Die Idee dazu ist ihr hier in Lord Byron’s Haus gekommen.«
»Bravo.«
Ich winkte ab. »So etwas gehört schließlich zur Allgemeinbildung eines Geisterjägers, auch wenn die ganze Geschichte schon verdammt lange zurückliegt.«
Jane schaute mich direkt an. Sie hatte den Mund etwas verzogen. Ein Zeichen, dass sie Zweifel hegte. »Glaubst du an eine Verbindung zwischen der Villa und dem Duo Infernale?«
»Nein. Ich kann mir keine vorstellen, obwohl ich auch nichts ausschließen möchte.«
»Fiel mir nur gerade ein.«
Ich mischte wieder Wasser und Wein. Mein Teller war fast leer. Ich fühlte mich gesättigt, und auch Jane hatte ihren Teller zur Seite geschoben.
»Das war’s«, sagte sie.
»Noch hungrig?«
»Nein, wo denkst du hin? Die Portion war wirklich mehr als reichlich.«
»Fragt sich nur, was wir jetzt machen.«
Jane blickte mich lächelnd an. »Hast du keinen Vorschlag, John? Bei einer Stadt wie dieser...«
»Hätte ich schon, aber...«
Den Satz brachte ich nicht mehr zu Ende, weil Jane von einem Augenblick zum anderen einen leisen Schrei ausstieß und plötzlich kreidebleich wurde.
»He, was ist?«
»Sie haben mich, John, sie haben mich gefunden...«
***
Okay, wir hatten damit gerechnet, aber diese Plötzlichkeit überraschte mich schon. Und Jane hatte es wirklich hart getroffen, denn sie wirkte plötzlich mehr wie eine Schaufensterpuppe, die man auf den Stuhl hier an den Tisch gesetzt hatte. Mit den Händen hielt sie die Lehnen umklammert, und sie veränderte ihre Haltung auch nicht in den folgenden Sekunden. Sie blickte mich nicht mehr an, dafür starrte sie auf den leeren Teller, den sie in die Mitte des Tisches geschoben hatte.
Ich ließ sie in Ruhe. Es war nicht gut, wenn ich sie jetzt störte. Jane musste die Botschaft zunächst empfangen und auch damit zurechtkommen. Ich hörte sie leise stöhnen, und sie deutete auch ein Nicken an, das bestimmt nicht mir galt, sondern der unsichtbaren Person, die Kontakt mit ihr aufgenommen hatte.
Nachdem einige Zeit vergangen war, hob Jane den Kopf wieder so weit an, dass sie über den Tisch blicken konnte und mich dabei auch sehen musste.
»Jane...?«
Die Detektivin reagierte nicht auf meine Ansprache. Nach wie vor blieb sie totenbleich sitzen.
»He, Jane...«
»Bin ich Jane?«
Mich irritierte die ungewöhnliche Frage, aber ich ging darüber hinweg und gab ihr eine Antwort. »Ja, du bist Jane. Du bist mit mir nach Genf gekommen, und wir beide sitzen hier gemeinsam auf der Terrasse des Hilton-Hotels. Wir haben etwas gegessen, und wir haben auch getrunken, und wir haben darüber gesprochen, was wir nun unternehmen sollen.«
Jane Collins hatte mich gehört, aber mit den Gedanken war sie nicht bei der Sache, das merkte ich. Obwohl ihr Blick auf mich gerichtet war, schien sie nach innen zu sehen, als wollte sie ihre Seele betrachten oder die Psyche ausloten.
»Sie waren es, nicht?«
»Wer sind sie?« Wieder antwortete sie fragend. Wie jemand, der nichts verstanden hatte.
»Fiona und Florence.«
Sie ging nicht auf meine Bemerkung ein, sondern sagte: »Ich muss weg, John. Ja, ich muss einfach weg.«
»Wohin?«
Sie strich über ihre Stirn, als wollte sie die Antwort dort noch mal festigen. »Ich kann hier nicht bleiben. Ich habe den Ruf empfangen. Man will sich mit mir treffen und mit mir reden.«
»Sehr gut.
Weitere Kostenlose Bücher