Duocarns - David & Tervenarius
nicht an Fremde, und ich sah keine Möglichkeit, irgendwie an Serica zu kommen, um Milch zu kaufen. Ich ließ es allerdings langsam angehen und setzte Regeln für meine Dienste fest.« Nun blickte Terv ihn an – die Augen wie flüssiger Honig. »Ich habe ihnen kein Sperma gegeben und war grundsätzlich passiv. Ich wollte, dass einige Dinge nur dir gehörten. Ich wusste zwar nicht, ob ich dich jemals wiedersehen würde, aber das war mir gleichgültig. Gegen alle Widerstände, und obwohl ich stark bedrängt wurde, blieb ich tatenlos.«
»Du hast dich von ihnen durchnehmen lassen«, krächzte David. »Die ganzen Jahre.« Tervs anfänglich interessanter Reisebericht hatte sich in einen Alptraum verwandelt. »Du hättest gehen müssen, kämpfen. Gleichgültig, was dich danach erwartete. Du bist stark, ein Krieger. Und dann machst du so etwas?« Während er das sagte, flüsterte eine leise Stimme in ihm, dass auch er nicht standhaft geblieben war. Er war vier Jahre lang getaumelt wie ein Blatt im Wind. Aber doch nicht Terv! Sein Schatz als benutzbares Opfer. Er konnte es kaum glauben.
Tervs Gesicht hatte sich in eine steinerne Maske verwandelt. »Es war die Strafe«, antwortete er rau. »Die Buße. Es war das, was mir gebührte nach all der Zeit.«
»Buße? Wofür denn?« Davids Stimme klang aufgebrachter, als er es beabsichtigt hatte. Hatte er überhaupt über Terv zu richten? Der war durchs All geflogen, willenlos dem zwingenden Ruf folgend. Dann nackt ins Wasser gestürzt, allein und entwurzelt. Ein Mann, der schon sehr alt war. David wusste nicht viel aus Tervs Vergangenheit. Was hatte er in dieser langen Zeit erlebt? Bestimmt hatte er einige Liebhaber und Beziehungen, auch Freunde gehabt. Und wo waren die? Er hatte sie sterben sehen. Oder nicht? Vielleicht lebten ja noch etliche auf Duonalia. Er hatte Terv nie gefragt. Seine Versicherung, dass da niemand mehr war, an dem sein Herz hing, hatte David gereicht.
David blickte zu Tervenarius. Der war still geworden.
»Es gibt viele Dinge, die du nicht weißt, David«, antwortete er schließlich.
Ja, dieser Satz bestätigte seine Gedankengänge. Aber er konnte eine solche Sache unmöglich auf sich beruhen lassen. »Dann klär mich auf.« Er war nicht mehr der kleine Junge, den man beschützen musste. Nur wenn er die harte Wahrheit kannte, konnte er damit umgehen. »Du weißt, dass du mir vertrauen kannst.«
Terv hatte sich angespannt erhoben und auf die Bettkante gesetzt, den Kopf in den Händen vergraben. David sah, wie er mit sich kämpfte.
»Auf der Erde würde man sagen, dass ich die Pest bin, David«, begann er. »Mein Dorf, Tamelis, auf dem östlichen Mond, existiert es nicht mehr. Dafür gibt es auf Duonalia eine Krankheit dieses Namens, die allerdings inzwischen als ausgestorben gilt. Kein Wunder, denn ich bin der Verursacher.«
David schwang die Füße aus dem Bett und setzte sich eng neben seinen Freund. Nun kam etwas Ungeheuerliches, das fühlte er. Deshalb wagte er nicht, den Arm um Tervenarius zu legen, der seine Berührung in diesem Moment sicherlich abgeschüttelt hätte. Er schien völlig in sich gezogen, wie eine Schnecke in ihr Häuschen.
»Ich hatte auf Duonalia keinen leichten Stand. Die Bewohner dort sind nicht viel anders als auf der Erde, was das Ausgrenzen von Andersartigen angeht. Ich hatte schon als kleines Kind gespürt, dass es unklug war, die eigenen Fähigkeiten preiszugeben, aber du kennst das ja – die Leute wittern das Anderssein.«
David nickte, obwohl Terv ihn nicht ansah. Oh ja, das kannte er als Schwuler.
»In der Schule rotteten sich die Halbwüchsigen zusammen, mit dem Ziel, mich zu quälen. Einer war besonders schlimm. Ein Junge namens Tacco. Gewöhnlich lauerten sie mir auf dem Weg zwischen dem Fundamentum und dem Windschiff auf, mit dem ich nach Hause fuhr. Im Dorf dann prahlten sie mit ihren Heldentaten und wurden von den Erwachsenen belächelt, wenn nicht sogar gelobt. Meine Pflegemutter stieß ebenfalls in dieses Horn und verbreitete, dass sie ja nicht meine Mutter sei und mich mundfaules und störrisches Geschöpf nur widerwillig aufgenommen habe. Ich stand allein.« Terv rieb sich die Stirn, als würden ihn Kopfschmerzen plagen und sprach weiter. »Ich habe das Dorf und seine Bewohner gehasst. Wir wuchsen heran und wie bei allen Duonaliern in einem gewissen Alter erwachte die Sexualität und wurde thematisiert. Und wieder war bei mir irgendetwas anders, auch wenn sie nicht erfassen konnten, was es war.«
David
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