Durch den Sommerregen
ich solchen Hunger habe und er verflucht gut kocht.
Ich möchte mir erleichtert den nicht vorhandenen Schweiß von der Stirn wischen, so überzeugt bin ich von meiner Argumentation.
„Das riecht grandios“, begrüße ich ihn und schaue über seine Schulter auf den Herd. Ich kann nicht widerstehen und drücke einen kleinen Kuss auf seine Halsbeuge. Egal ob er frisch geduscht ist oder gerade von der Arbeit kommt, er riecht immer gut. Gabriel dreht den Kopf und erwischt gerade noch meine Schläfe, weil ich nach einem Stück Zucchini greife, dass aus der Pfanne gepurzelt ist.
Spielerisch klopft er mir mit dem Pfannenwender auf meinen Handrücken, doch ich lasse nicht los und schiebe mir den noch heißen Würfel in den Mund. Seufzend kaue und schlucke ich das Gemüse herunter und muss mich zusammenreißen, nicht aus der heißen Pfanne zu stibitzen.
„Was kochst du?“, frage ich und schlinge meine Arme um seinen Brustkorb.
„Zucchini-Hackfleisch-Auflauf. Ich hoffe, das ist in Ordnung für dich. Eigentlich wollte ich nicht mehr viel machen, weil es schon so spät ist, aber ich sterbe vor Hunger.“
„Das ist mehr als in Ordnung. Wie war das Fotoshooting?“
Sein erschöpftes aber zufriedenes Lächeln ist Antwort genug. „Der Wahnsinn. Die Fotos sind gut geworden. Ich hab gerade schon mal kurz durchgeschaut.“ Er zeigt auf seinen Laptop, der hinter ihm auf dem Tisch steht. „Schau sie dir an, wenn du magst.“
„Ist das auch wirklich okay?“ Ich finde das grenzwertig, weil es für die Eltern ein intimer Moment ist.
„Ist es, mon chouchou . Es sind keine nackten Körperteile zu sehen, außer denen vom Baby.“
Ich verpasse ihm einen Klaps auf den strammen Hintern, bevor ich mich an den Küchentisch setze.
Er weiß, dass er etwas kann, aber ich glaube nicht, dass ihm bewusst ist, wie talentiert er ist. Seine Mutter würde ihn auch kaum in einer solchen Situation empfehlen, wenn er es nicht wäre. Wie schon die ersten Fotos, die er mir gezeigt hat, sind diese perfekt. Jedes einzelne fängt das Gefühl des Augenblicks ein, als wäre man selbst dabei gewesen.
„Du solltest eine Ausstellung deiner Bilder machen. Das ist einfach zu gut, um es nicht zu zeigen.“
„Meinst du?“, fragt er schon fast teilnahmslos.
„Meine ich. Natürlich nicht diese Bilder, die sind nur für die Familien. Aber du hast doch sicher noch einiges mehr, was ich und auch sonst noch niemand gesehen hat. Was ist eigentlich mit den Bildern, die du immer wieder von mir machst? Darf ich die auch irgendwann mal sehen?“
„Irgendwann ...“ Er wirft mir ein verschmitztes Lächeln über seine Schulter zu. „Aber gleich, nach dem Essen, könntest du welche von mir machen. Das wolltest du doch.“
„Nur wenn du es willst.“
„Sonst würde ich es nicht sagen. Ich vertraue dir, Helena.“
Diesen letzten Satz benutzt er zweifellos nur äußerst selten.
27.
Während ich heute Morgen noch dachte, dass wir uns voneinander distanziert haben, hat sich das Gefühl mit einem gemeinsamen Essen und einem Gespräch über seine Bilder in Luft aufgelöst.
Er ist mir immer nah, aber nie fühle ich mich bedrängt oder eingeengt.
Nachdem wir gemeinsam die Küche aufgeräumt haben, geht er kommentarlos Richtung Wohnzimmer und streift sich auf dem Weg das Shirt ab. Seine schicken Clogs kickt er achtlos in die Ecke.
„Was machst du da?“, frage ich grinsend, während ich ihm folge.
„Wonach sieht es denn aus? Du wolltest doch sicher nicht mein T-Shirt fotografieren.“
So hatte ich es mir eigentlich nicht vorgestellt.
Mit geöffneter Hose und seiner Kamera in der Hand dreht er sich um und stößt ein überraschtes Stöhnen aus, als er mich nackt in der Mitte des Wohnzimmers findet. Ich wusste schon, warum ich mir nach dem Schwimmen nur ein kurzes Sommerkleid übergeworfen habe.
„Das war schnell. Ich dachte, du wolltest mich zuerst ...“
„Ich will dich immer, Gabriel. Aber ich will dich nicht fotografieren, wenn du ein Gesicht machst, als hättest du ein Wurzelbehandlung vor dir.“
Langsam gehe ich auf ihn zu. Ich bin nicht verklemmt und fühle mich gut in meinem Körper, aber im durch den Sonnenuntergang erhellten Zimmer nackt zu ihm zu gehen, ohne eine Chance darauf, meine Problemzonen zu kaschieren, ist ein merkwürdiges Gefühl. Doch in Gabriels Blick liegt nichts als Bewunderung.
„Die Sonne ist gleich weg. Soll ich den Kamin anwerfen?“, fragt er und schaut mich dabei von oben bis unten an.
„Ja, bitte!“, sage ich,
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