Durch den Sommerregen
jetzt Mut machen? Ich wische mir schon die ganze Zeit meine feuchten Handflächen an der Hose ab.“
Gabriel drückt mir einen Kuss auf den Bauch, direkt unter dem Nabel, und zieht meine Hose noch ein Stück herunter.
„Vertrau mir“, sagt er. „Wenn ich Angst hätte, dass meine Hände zittern, dann würde ich es sofort abbrechen. Kannst du dich hier auf den Stuhl setzen? Da kann ich besser arbeiten.“ Er reicht mir eine Hand, um mir hochzuhelfen und mich auf dem Monstrum in der Mitte des Raumen zu platzieren. Wären da noch Fußstützen dran, dann käme ich mir vor wie beim Gynäkologen.
„Willst du eine Farbe für die Rose oder alles Schwarz?“ Er ist total angespannt, aber ich spüre, dass er das unbedingt tun will. Vielleicht ist es vergleichbar mit einem Chirurgen, der einen Angehörigen operieren muss. Wobei er mich hier natürlich so schnell nicht umbringen kann, aber das Gefühl ist sicher ähnlich.
„Alles in Schwarz bitte.“
Ich lege die Arme hinter den Kopf und versuche einen gelassenen Eindruck zu machen. Wie gut, dass ich nicht zu verschwitzten Achseln neige.
Gabriel streift sich gerade die Handschuhe über, als Sam in den Raum prescht. Erschrocken weicht er zurück, als er sieht, dass ich es bin, die mit heruntergelassener Hose vor Gabriel liegt.
„Sorry, Lena. Ich wusste nicht, dass du hier bist. Ich komm später wieder.“
So ganz verstehe ich den Unterschied nicht, wenn er eigentlich davon ausgegangen ist, dass Gabriel eine fremde Klientin hat. Offenbar ist es unproblematischer, fremde Frauen nackt anzuschauen, im Gegensatz zu der Freundin eines Kollegen.
Da ist es wieder, das Wort: Freundin.
„Ist schon okay, Sam. Es macht mir nichts aus.“
Sein stummer Austausch mit Gabriel spricht Bände. Es geht nicht um mich. Gabriel hat ein Problem damit. Darum ist er auch nervös. Für ihn ist es höchst intim, mich zu tätowieren. Andere Frauen und Männer sind nur Kundschaft, doch wenn er mir ein Tattoo verpasst, dann hat er mich vermutlich als die seine markiert. Männer ...
Wahrscheinlich war seine Zigarette vorhin zur Nervenberuhigung gedacht. Obwohl ich selber schon lange nicht mehr rauche, brauche ich das ab und an auch noch mal.
„Ich wollte nur fragen, ob er einen Termin für mich übernehmen kann, aber das hat sich jetzt erledigt.“ Sofort will er wieder die Tür hinter sich schließen, doch ich halte ihn noch zurück.
„Ist Emma schon aufgeregt? Wegen der Lesung nächste Woche?“, frage ich, während Gabriel sein Arbeitsmaterial vorbereitet.
„Sehr. Sie denkt, ich würde es nicht merken, aber sie steht jeden Morgen noch eine Stunde vor Mila auf, nur damit sie das Lautlesen üben kann, ohne dass ihr jemand zuhört oder sie unterbricht. Dabei macht sie das gut. Sie ist hauptsächlich nervös, weil sie Angst davor hat, wie der Genrewechsel ankommt.“
„Hast du den neuen Roman schon gelesen?“
Gabriel unterdrückt ein genervtes Stöhnen, doch Sam entgeht es nicht.
„Ja, natürlich. Ich finde ihn großartig. Es ist immer noch ihr Stil, wenn auch ernster und natürlich weniger heiß. Aber ich muss jetzt los“, sagt er mit einem Blick auf den Mann neben mir. „Wir sehen uns, Lena.“
„Bis spätestens nächste Woche bei der Lesung.“
Hörbar atmet Gabriel neben mir auf.
„Was war das denn?“, frage ich. „Ich habe nicht den Eindruck, dass ihr euch sonst so anstellt. Ist es, weil Sam meinen Slip sehen konnte?“
„Nein, es ist, weil ich jetzt endlich loslegen will UND! weil er dein Höschen sehen konnte. Außerdem ist das mein Moment mit dir. Wir stören uns nicht, wenn wir unseren Frauen frische Tinte verpassen.“
„Bin ich deine Frau?“, frage ich. Die Antwort will ich eigentlich gar nicht hören.
„Nein, bist du nicht, Helena. Nicht, solange du mich nicht näher an dich ranlässt.“
Natürlich spürt er, dass ich mich immer noch zurückhalte. Ich gebe mir wirklich Mühe, aber so tief sitzende Angewohnheiten legt man nicht leicht ab.
29.
Mit einem zufriedenen Lächeln stehe ich vor dem großen Spiegel in meinem Schlafzimmer und betrachte das frische Tattoo. Drei Tage ist es jetzt her und ich kann immer noch nicht fassen, dass ich es tatsächlich getan habe. Nur daran zu denken, verursacht mir ein Kribbeln bis in die Zehenspitzen.
Gabriel liegt ziemlich entspannt und sehr nackt auf meinem Bett und beobachtet mich.
„Das sieht schon richtig gut aus, Helena. Ich kann es nicht erwarten, wenn ich dich endlich wieder überall küssen
Weitere Kostenlose Bücher