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Durch die Hintertür

Durch die Hintertür

Titel: Durch die Hintertür Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lear
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einem dicken Drahtgeflecht versehen war.
    »Das ist die Zelle, Sir.«
    »Haben Sie nur eine?«
    »Nein, es gibt zwei. Eine dort drüben für Hochsicherheitsgefangene, die wir aber nie benutzen, weil wir hier in Drekeham sind, und eine genau hinter der Anmeldung, in die wir den alten Mr. Desmond stecken, wenn er samstagabends ein Gläschen zu viel getrunken hat, um noch nach Hause zu kommen.«
    Ich sah ein Licht hinter dem schmutzigen Glas des niedrigen Fensters schimmern und wies Wachtmeister Shipton darauf hin. Er zuckte zusammen, als habe er sich erschrocken.
    »Die machen dort wohl gerade sauber, das wird alles sein.«
    Hatte ich mich zu weit vorgewagt? Ich wusste, dass ich meinen kleinen Wachtmeister nicht vergrätzen durfte. Ich musste sein Vertrauen gewinnen – oder wenigstens seinen Gehorsam. Ich wandte dem Gebäude den Rücken zu, als wäre meine Neugierde befriedigt.
    »Und was befindet sich dort, am Ende des Gartens?« Unter einem Baum standen ein Außengebäude und jenseits davon ein paar kümmerliche Büsche.
    »Das ist das Scheißhaus – Entschuldigung, Sir, das Klo, wo wir eine Kippe rauchen, wenn wir nichts zu tun haben.«
    »Ich könnte jetzt eine Kippe gebrauchen. Und Sie?«
    »Klar, Pardner!« Seine Bestürzung war wie weggeblasen. Zu meinem Glück hatte ich in meiner Jacke ein Päckchen Lucky Strikes, das ich eigens zu dem Zweck bei mir trug, junge Briten zu beeindrucken. Ich selbst rauchte selten, und wenn, dann nur, um Eindruck zu schinden. Seine Augen wurden groß.
    »Wow, sieh dir das an! Echte amerikanische Kippen!«
    »Möchten Sie eine?«
    »Besser nicht. Ich bin im Dienst.«
    »Es würde mich aber sehr freuen …« Und wieder erfüllte der etwas dick aufgetragene Akzent seinen Zweck.
    »Wenn wir aufs Klo gingen …«
    »Genau, dann würde niemand Sie sehen. Die sind doch heute eh alle zu beschäftigt, um mitzubekommen, wenn Sie mal … auf dem Klo verschwinden.«
    »Das stimmt«, sagte er, ohne zu merken, dass er sich verriet. »Heute sind wirklich alle sehr beschäftigt. Jede Menge Kollegen aus Norwich sind hier. Ich weiß auch nicht, was …« Er hielt inne. »Jedenfalls kommen wir hier immer hin, wenn wir in Ruhe eine rauchen wollen, ohne gestört zu werden.«
    ›Hier‹ war ein Bauwerk, wie ich es zu Hause oder selbst in Cambridge noch nie gesehen hatte. Als ich nach England kam, hatte man mich gewarnt, dass die sanitären Anlagen hierzulande noch ganz dem 19. Jahrhundert verhaftet seien, aber etwas derart Viktorianisches war mir noch nicht untergekommen.
    Es war ein Gebäude aus zerbröckelnden roten Ziegeln, ungefähr so groß wie das neue Kriegerdenkmal auf dem Dorfplatz und ebenso verziert – anscheinend wurden Toiletten hier ausgiebig zelebriert. Man betrat sie durch eine schmale, türlose Öffnung, breit genug, um die Okkupanten vor neugierigen Blicken zu schützen. Im Innern waren die Wände mit Kacheln bedeckt, die früher wohl weiß gewesen waren, mittlerweile aber derart von Algen und Moos überwuchert, dass die vorherrschende Farbe Grün war. Es gab ein großes Urinal, an das drei Mann Schulter an Schulter gepasst hätten, und eine Einzelkabine, in deren Tür ein kleines, quadratisches Fenster eingelassen war, züchtig mit einem Gitternetz bedeckt. Der ganze Raum stank nach Pisse, Tabak und Männerschweiß.
    »Hier gehen Sie also rauchen«, sagte ich – eine überflüssige Bemerkung, denn der Boden war mit Stummeln übersät.
    »Jepp«, sagte Shipton, lehnte sich an die Wand und winkelte ein Bein an. Er nahm den Helm ab und legte ihn aufs Fensterbrett. Ich war erfreut, dass er trotz seines jungen Alters schon anfing, die Haare zu verlieren. Vorzeitiger Haarschwund und starker Bartwuchs deuteten meiner Erfahrung nach immer auf einen ausgeprägten, schnörkellosen Sexualtrieb hin. Wachtmeister Shipton war sich dieses Triebes vielleicht noch gar nicht bewusst. Dem konnte Abhilfe geleistet werden. Ich tippte auf den Boden der Zigarettenschachtel und bot ihm eine Lucky Strike an. Er nahm sie zwischen Daumen und Zeigefinger und führte sie an die Lippen – diese Geste finde ich immer wieder entzückend. Und dann tat er etwas, das ich mindestens ebenso erotisch finde wie die meisten weitaus obszöneren Gesten: Er öffnete den oberen Knopf seiner Jacke, lockerte den Kragen und rieb sich am Hals. Dabei war ein kratzendes Geräusch zu hören, obwohl er sich offensichtlich heute Morgen rasiert hatte.
    Ich hielt ihm ein Streichholz vors Gesicht, er beugte sich vor, schützte die

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