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Durch die Hintertür

Durch die Hintertür

Titel: Durch die Hintertür Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lear
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gehandelt, anstatt in Gedanken zu versinken. Irgendetwas hielt ihn zurück. Ich hatte gesehen, wie er unter den spitzen Bemerkungen seines jüngeren Bruders innerlich geschäumt hatte und doch still geblieben war. Das alles passte nicht so recht zu den Tatsachen, die man mir dargelegt hatte.
    Außerdem – und dafür hätte ich mir selbst in den Hintern treten können – war etwas Merkwürdiges an der Art und Weise, wie die Leiche entdeckt und aus dem Haus geschafft worden war. Belinda hatte den Toten in einem Wandschrank gefunden – der mit Sicherheit nicht der Tatort war – und den Eindruck geäußert, dieser sei aus Sir James’ Arbeitszimmer dorthin geschleift worden. Zum damaligen Zeitpunkt hatte ich das als die wirren Erinnerungen eines netten, aber nicht allzu schlauen Mädchens abgetan. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich Belinda nicht sonderlich mochte; ich war neidisch auf die Aufmerksamkeit, mit der Boy sie überhäufte, auch wenn ich an seinen Schwanz durfte. Ich hielt sie für ein hohlköpfiges Modepüppchen – ein großer Irrtum. Ich fragte mich allmählich, ob ihre Beobachtungen nicht doch zutrafen und der Leichnam nicht (oder zumindest doch nicht direkt) aus den Dienstbotenquartieren stammte, sondern aus weitaus verfänglicheren Teilen des Hauses. Sollte das stimmen, war es kaum verwunderlich, dass Leonard so erpicht darauf war, mich mit dem schönen Hinterteil des Hausburschen Simon abzulenken.
    Mit diesen Gedanken im Kopf war ich sehr bald wieder in einem Zustand, in dem ich mich den Damen zeigen konnte; nichts entzieht einem steifen Schwanz so schnell das Blut wie deduktives Denken. Im Salon gab ich mich von meiner charmantesten Seite – ich sollte mir Freunde im Haus machen, wenn ich die Wahrheit herausfinden wollte. Ich sprach mit Lady Diana über Politik, plauderte mit Lady Caroline über Inneneinrichtung – sie wollte den Salon von Syrie Maugham umgestalten lassen, ganz in weiß – und versuchte, Sir James etwas über das politische und wirtschaftliche Leben in Boston zu erzählen. Ich machte dabei eine vortreffliche Figur, auch wenn ich mit den Gedanken anderswo war – ich nagte an dem Rätsel um Meeks und den Ermordeten wie ein Hund an einem Knochen.
    Als die Uhr elf schlug – Morgan gähnte und döste schon in seinem Sessel –, kam Burroughs, der Butler, um die Tassen und Gläser abzuräumen und die Anordnungen für den nächsten Tag entgegenzunehmen. Er war ein reizender alter Bursche, wie den Seiten eines Romans entsprungen: klein und von zartem Körperbau, leicht gebeugt, weißhaarig und mit einer kleinen Stahlrandbrille, die seine Butlermiene noch unterstrich. Als ich ihn das erste Mal sah, hielt ich ihn für entzückend, so vollkommen verkörperte er meine amerikanischen Vorstellungen von einem englischen Dienstboten. Auch er schien mich entzückend zu finden, blieb sein Blick doch mehr als einmal mit einer gewissen Zuneigung auf mir haften. Er war jedoch die Diskretion in Person und versuchte nie, mich in Gespräche zu verwickeln, die über meine Bedürfnisse als Gast des Hauses hinausgingen.
    Jetzt schien er allerdings durchaus das Bedürfnis zu haben, mit mir zu sprechen, ungeachtet der wachsamen Blicke von Leonard und Sir James.
    »Ist Ihr Zimmer bequem genug für Sie und Mr. Morgan?«, fragte er mit gedämpfter Stimme, als er mein Glas auf ein silbernes Tablett stellte.
    »Vollkommen, vielen Dank, Burroughs.«
    »Sollten Sie etwas benötigen, dann zögern Sie bitte nicht, nach mir zu läuten.«
    »Danke.«
    »Ich werde Ihnen dann persönlich aufwarten.«
    »Alles klar.«
    Er senkte die Stimme zu einem Flüstern. »Sir, sollten Sie irgendwelche Fragen haben, etwa über die Haushaltsführung …« Unsere Blicke begegneten sich; seine Augen waren gerötet, als habe er geweint. »… dann lassen Sie mich es einfach wissen.«
    Er setzte eine Menge aufs Spiel, indem er auf diese Weise mit mir redete, und ich wollte seine Lage nicht noch verschlimmern. »Vielen Dank, Burroughs«, sagte ich laut genug, dass alle es hören konnten, »wecken Sie mich um sieben Uhr, und ich nehme geräucherten Hering zum Frühstück. Und du, Boy? Auch Hering?«
    »Igitt«, sagte Morgan und reckte die langen Arme. »Nein, lieber Speck und Eier.«
    »Also einmal den Räucherhering und einmal Speck«, wiederholte Burroughs mit dankbarem Lächeln. »Gibt es sonst noch etwas, Sir James?«
    »Das wäre alles, Burroughs. Wir haben alle einen ziemlich anstrengenden Tag hinter uns. Am besten, wir

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