Durch die Hintertür
ich an der Reihe, ihn wissen zu lassen, dass ich mir der Missetaten auf Drekeham Hall bewusst war. Als Sir James, in ein ablenkendes Gespräch über jüngste Sportereignisse mit Morgan vertieft, die Türen zum Salon öffnete, nahm ich Leonard beim Ellbogen und führte ihn zu einer ruhigen Stelle unter der geschwungenen Treppe, wo man uns nicht beobachten konnte.
»Na, na, Mr. Mitchell, wir haben’s aber eilig!« Er glaubte wohl, sein Füßeln während des Essens hätte mich erregt. Das hatte es, doch zur Abwechslung war es nicht das Organ zwischen meinen Beinen, das betroffen war.
»Ich weiß, ich bin in diesem Hause nur zu Gast, Lennie«, sagte ich und betonte unsere Vertraulichkeit, »aber ich lasse mich nicht in ein Verbrechen hineinziehen.«
»Grundgütiger«, sagte er und packte mich nicht allzu sanft im Schritt, »Ihre Bedenken kommen ein wenig spät, glauben Sie nicht, Mitch?«
»Das meine ich nicht.« Er hatte allerdings recht; was wir getan hatten und was ich in ein oder zwei Stunden mit Morgan vorhatte, verstieß durchaus gegen das Gesetz.
»Erzählen Sie das mal dem Richter, Mr. Mitchell«, sagte er und rieb mich so lange, bis ich reagierte. Natürlich glaubte er, mich von meiner Fährte abbringen zu können, indem er ein wenig an meinem Schwanz herumspielte – das hatte ja schon wunderbar geklappt, als er mich am Nachmittag aus dem Haus haben wollte.
Mir blieb nichts weiter übrig, als meinen Weg auf die nächste Ebene zu bluffen. »Ich glaube, dass die Neigungen eines Ausländers wie mir ziemlich uninteressant sind im Vergleich zu dem Privatleben eines Parlamentsabgeordneten und seiner Angehörigen.«
Volltreffer. Leonard ließ meinen Schwanz los und sah mich verächtlich an.
»Sie wissen nicht, was in diesem Haus vor sich geht.«
»Ich weiß genug, um jeden einzelnen von Ihnen auf die Titelseiten der Zeitungen zu bringen.« Das war gelogen, enthielt aber offensichtlich einen wahren Kern. Wie tief hatte die Verderbnis im Haus der Eagles Wurzeln geschlagen?
»Und was würde das bringen, Mr. Mitchell?«, fragte Leonard und befleißigte sich eines freundlichen und weltgewandten Tonfalls. »Noch eine gute Familie ruiniert, eine großartige Laufbahn zunichte gemacht – ich meine die meines Bruders, nicht die meine, denn ich habe keine –, und dazu eine Menge unangenehmes Gerede über Menschen wie Sie und mich. Das wäre für keinen ein Vergnügen.«
Damit hatte er recht, aber ich war derzeit im Vorteil und wollte nicht aufgeben.
»Es gibt Wichtigeres als Vergnügen. Zum Beispiel die Frage, ob ein Unschuldiger am Galgen landen sollte.«
»Mr. Meeks, mein Lieber, ist alles andere als unschuldig.«
»Bullshit.«
»Verschonen Sie mich mit der Vulgärsprache von Ihrer Ranch, Mr. Mitchell. Mr. Meeks ist so schuldig wie wir alle, wenn Sie das Wort ›Schuld‹ ins Spiel bringen wollen. In diesem Haus gibt es ein gewaltiges schmutziges Geheimnis. Seit Jahren schon. Oh, alle Welt glaubt, ich sei so ausschweifend und abstoßend, aber ich kann Ihnen eines sagen: Ich musste hier fort und ein neues Leben in London beginnen, eben weil ich so abstoßend fand, was in Drekeham Hall vor sich geht. Nur weil etwas seit langer Zeit geschieht, ist es noch lange nicht gut. James verschließt die Augen davor, weil es eine ›Tradition‹ ist und er Traditionen achtet, aber er täuscht sich.«
»Wovon reden Sie?«
»Ach, kommen Sie. Sie wissen doch Bescheid. Es ist wie eine Perlenkette. Der Butler vögelt den ersten Diener, der erste Diener vögelt den zweiten Diener, der vögelt den Hausburschen, der wiederum den Knecht vögelt; der Obergärtner vögelt den Untergärtner, der Untergärtner vögelt den Kunstgärtner, und der wiederum vögelt den Stallburschen. Soll ich weitermachen? Haben Sie sich noch nicht die Frage gestellt, warum es hier so gut wie kein weibliches Personal gibt? Bloß diese Xanthippe von einer Wirtschafterin, Mrs. Ramage, und ein paar Zimmer- und Küchenmädchen. Dieses Haus hier ist Sodom an der Küste von Norfolk.«
»Ach, seien Sie doch nicht …«
»Und Mr. Meeks, nicht zufrieden mit all dem herrlichen Frischfleisch, musste auch noch Importe haben. Er ging auf kleine … wie soll ich es nennen? Expeditionen vielleicht? Jedenfalls führten sie ihn erst nach Norwich, dann nach London, und jedes Mal brachte er junge Männer mit in den Haushalt, die ihm ›zur Hand gehen‹ sollten. Sie können sich wahrscheinlich denken, dass es nicht bei der Hand blieb. Was in den Dienstbotenquartieren
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