Durch die Hölle in den Himmel (German Edition)
Dann ging sie wieder zurück zum Sessel; zum Sofa, um erneut aufzustehen und aus dem Fenster zu blicken, ohne wirklich etwas zu sehen.
Jetzt aber, seit die Sucht ihre gierigen Finger nach ihr ausstreckte, saß sie wie versteinert in einer Sofaecke.
Sie fasste plötzlich einen, wie sie glaubte, rettenden Entschluss.
„Ich muss mir selber helfen. Ich muss einen Weg finden an Koks zu kommen. Nur heute. Dann komme ich wieder in die Reihe.“
Erneut begann sie zu weinen. Aber warum denn jetzt wieder? Aus Angst vor dem, was ihr durch den kalten Entzug bevorstand oder weil sie im Begriff war Robert erneut zu enttäuschen?
„Würde ich weiter auf ihn warten, hätte er natürlich keinen Grund enttäuscht zu sein. Aber wie lange lässt er mich denn nun schon hier sitzen?
Ich kann nicht mehr, ich halte es nicht länger aus.“
Ihre Gedanken überschlugen sich, wurden immer hektischer und unübersichtlicher. Sie merkte, wie sie in rasendem Tempo die Kontrolle über ihren Kopf verlor und tief in einem Strudel aus Panik gezerrt wurde.
Doch dann fiel ihr blitzartig ein, dass Robert vor einigen Tagen einen Zettel mit der Adresse eines gewissen Hassan auf dem Tisch hatte liegen lassen.
„Das muss er sein,“ dachte sie, “sein Dealer.“ Sie hatte nie den geringsten Kontakt zu Ausländern bei ihm beobachtet.
Sie erinnerte sich zwar noch an den Straßennamen, doch die genaue Hausnummer war ihr entfallen. „Es war eine Nummer in den Zwanzigern,“ erinnerte sie sich. Aber genaueres fiel ihr beim besten Willen nicht ein.
„Aber das muss reichen“, sagte sie hoffnungsvoll,“ ich muss doch nur eine Weile die Hauseingänge beobachten, dann werde ich anhand der Besucher schnell herausfinden, in welchem Haus dieser Hassan sein Geschäft betreibt. Vielleicht treffe ich Robert vorher noch - auf dem Weg dorthin.“
Doch jetzt dirigierte ihr Unterbewusstsein sie direkt zum Kleiderschrank.
Sie brauchte nur wenige Minuten um sich anzukleiden, denn sie wusste noch sehr gut, wie sie sich kleiden musste, um aus jedem Mann einen willenlosen Hanswurst zu machen. Als sie nackt vor dem Spiegel stand und sich die passende Kleidung zusammensuchte, registrierte sie trotz ihrer Notlage, dass der unsolide Lebenswandel ihrer Figur bisher nicht im Geringsten geschadet hatte.
„Dieser Körper hat mir schon sehr oft zur Erfüllung meine Wünsche verholfen und das wird sich, wie es aussieht auch heute nicht ändern“, dachte sie mit einer gewissen Genugtuung und wählte die Kleidung aus, von der sie wusste, dass sie diesen armseligen Dealer um seinen kümmerlichen Verstand bringen würde.
Aus naheliegenden Gründen halten sich die Kunden eines Drogendealers nicht lange bei ihm auf. Einerseits will der Dealer sie natürlich schnell wieder loswerden, andererseits wollen Abhängige schnellstens wieder verschwinden, um ihren Quälereien ein Ende zu bereiten.
Nadine redete sich aber weiterhin ein, dass Robert ihr noch rechtzeitig entgegenkommen würde. Damit würde ihr der ungewisse Gang zum Dealer erspart bleiben. Denn kein Rock kann kurz genug sein, um zu garantieren, dass sie tatsächlich etwas ohne Geld bekommen würde, oder weil sie behauptete Roberts Freundin zu sein.
„Wenn ich den wenigstens schon einmal gesehen hätte, dann könnte ich ihn besser einschätzen. Aber irgendwie sind die Männer doch alle auf dasselbe geeicht“.
Inzwischen stand sie schon so unter Druck, dass sich jede Sekunde quälend langsam durch ihr Hirn arbeitete. Ihre Fähigkeit logisch zu denken, war inzwischen auf ein absolutes Minimum konzentriert, nur auf das Notwendigste, um an Kokain zu kommen.
Und es wurde von Minute zu Minute schlimmer. Nein, auf Robert konnte sie wirklich nicht mehr warten, dafür war es bereits zu spät.
Nach einem letzten prüfenden Blick in den Spiegel, griff sie ihre Handtasche und machte sich auf den ungewissen, zweifelhaften Weg.
Sie zog die Tür vorsichtig hinter sich zu und ging so leise wie möglich durchs Treppenhaus. Nur keinen Nachbarn aufscheuchen. Hier wohnen nur so biedere, altersschwache Typen, die bekommen gleich einen Herzanfall, wenn sie mich in diesem spärlichen Outfit sehen.
Nadine kannte bisher niemanden in diesem Hause und wollte es nicht jetzt gerade ändern.
„Wenn ich erst wieder clean bin, können sie gern alle auf einen Kaffee rüber kommen, aber jetzt brauch ich sie nicht“.
Beruhigt stellte sie fest, dass sich nirgends im Treppenhaus eine Tür öffnete, so konnte sie das Haus
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