Durch die Hölle in den Himmel (German Edition)
„ist ihr Mann schon von uns gegangen?“
„Nein“, sagte Andrea, „der ist nur ganz besonders leidensfähig. Sie werden schon sehen, Herr Doktor.“
„Eines Tages wirst du dich an deiner spitzen Zunge verletzen und am eigenen Gift zugrunde gehen.“
„Na, ganz ungefährlich leben sie dann ja auch nicht“, sagte darauf der Arzt zu Henry.
„Hier, in meiner Heimat gab es mal eine Zeit, in der ich meine freie Meinung äußern durfte. Die Zeiten scheinen endgültig vorbei zu sein. Aber darüber will ich nicht mehr reden, sehen sie sich lieber meine Nase an.“
„Na, denn zeigen sie mal her.“
Henry nahm zögernd das Taschentuch von seinem Gesicht, damit der Arzt die Ursache seiner höllischen Schmerzen begutachten konnte.
Wäre es bei der Begutachtung durch die medizinisch geschulten Augen geblieben, hätte Henry sich nicht übergeben müssen. Da sich der Arzt aber nicht ausschließlich auf seine Augen verlassen wollte, legte er auch noch einige seiner ebenfalls geschulten Finger an die lädierte Nase. Das war endgültig zu viel für einen Mann wie Henry. Der furchtbare Schmerz trieb ihm erst Tränen in die Augen, jagte dann einen Mitleid erregenden Schrei durch seine Kehle und warf ihn letztendlich auf die Seite, damit er nicht auf seine Kleidung sondern auf die Bodenfliesen und die, auf Hochglanz polierten Schuhe des Arztes kotzte.
Andrea trat gerade zur rechten Zeit den einen notwendigen Schritt zurück, um nicht auch noch bespritzt zu werden.
Von Henrys unmenschlichem Schrei alarmiert, eilte eine der beiden Sprechstundenhilfen in den Behandlungsraum. Sie war sicher, dass der Arzt dringend ihre Hilfe brauchte, hätte aber nicht gedacht, dass sie ihrem Chef jemals die Schuhe putzen würde.
Einen kurzen Moment war Andrea durch Henrys Malheur peinlich berührt. Dann wurde ihr jedoch bewusst, wie sehr ihr Mann leiden musste, bis ihn die Schmerzen zu einer so extremen Reaktion nötigten.
Jeder Mensch hat eben seine eigene Grenze des Ertragbaren.
Kapitel 34
Robert versuchte seine ganze Liebe und Freude darüber, dass er Nadine friedlich schlummernd im Bett vorgefunden hatte, mit wenigen Worten auf einen Zettel zu schreiben. Wenn er schon nicht zurück sein sollte, wenn sie aufwachte, sollte sie wenigstens lesen wie glücklich es ihn machte, sie wieder im Hause zu wissen. Er hoffte, dass sie durch diese Zeilen, eine ähnliche Wärme empfand, wie er schon beim bloßen Gedanken an ihren Namen.
Die Nachricht hinterlegte er gut sichtbar auf dem Nachttisch, so, dass Nadine sie sicher nicht übersehen konnte. Nun durfte er sich halbwegs beruhigt auf den Weg zu Hassan machen.
Er war nun schon so oft bei diesem fiesen Typen gewesen, dass es nur noch eine Frage der Zeit sein würde, bis ihn irgendjemand, aus irgendeinem Grund mit Hassan in Zusammenhang bringen wird.
„Damit werde ich dann auch noch fertig“, dachte sich Robert. „Andererseits könnte ich Probleme bekommen, wenn mich jemand sieht, der schon von dem Diebstahl in der Firma weiß. Gut möglich, dass dann schnell eine Verbindung konstruiert wird.“
Als er die friedlich schlafende Nadine wieder vor sich sah, waren seine Bedenken schnell verdrängt. Er nahm sich aber vor, den Weg zu Hassan in den nächsten Tagen zu vermeiden. Darum würde er einen kleinen Vorrat besorgen, von dem Nadine natürlich nichts wissen durfte. Sonst hätte sie es unnötig schwer, sich an ihre Vereinbarungen zu halten. Obwohl es ihm gewaltig gegen den Strich ging, diesem beschissenen Hassan sein Geld in den stinkenden Rachen zu schmeißen. Er sah aber leider keine andere Möglichkeit.
Inzwischen war der Tag schon so weit fortgeschritten, dass es langsam dunkel wurde, wodurch seine Chancen nicht gesehen zu werden, immerhin erheblich stiegen.
Deshalb gab es aber noch lange keinen Grund, sich vollkommen sorglos auf den Weg zu machen. Jedes Mal, wenn er zu Hassan ging, sträubte sich alles in ihm gegen diesen Abschaum der Menschheit. Aber für Nadine war er schon zig Wege gegangen, die er ohne sie niemals gegangen wäre.
Er ging mit großen, schnellen Schritten, um so bald wie möglich wieder zurück zu sein.
Um diese Zeit waren nur noch wenige Menschen auf der Straße unterwegs, was ihm nur recht sein konnte. Er glaubte schon in ein paar Minuten am Ziel zu sein, als aus heiterem Himmel jemand neben ihm auftauchte.
„Hallo Robert, wo willst du denn um diese Zeit noch drauf los?“
„Das hat mir gerade noch gefehlt“,
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