Durch die Hölle in den Himmel (German Edition)
deine unermessliche Güte Henry, und vor allem dafür, dass ich dabei sein darf, wenn der Arzt deine Nase untersucht.“
Inzwischen waren sie an der Praxistür angelangt. Auf ihr klingeln bediente jemand den Türöffner, sodass sie eintreten konnten.
Die Praxis war so überfüllt, dass sie die Tür nur langsam, unter Protest der drinnen wartenden Patienten, öffnen konnten. Den Letzten in der Schlange die bis zur Anmeldung führte, musste Andrea weiter in die Praxis hineinschieben, damit sie sich Zutritt verschaffen konnten.
Als ihnen endlich gelungen war, den Raum zu betreten, blickten sie in Gesichter, die von Entsetzen und Ekel erfüllt waren. Was beim Anblick von Henrys, mit dem von reichlich Blut durchtränkten Taschentuch vorm Gesicht, nicht verwunderlich war.
Und Henry war wiederum entsetzt, weil alle Gesichter die ihn anstarrten, ausnahmslos mit Kopftüchern oder langen weißen Bärten versehen waren.
„Hier ist man nirgends sicher“, näselte er durch das blutige Tuch, gerade so laut, dass Andrea ihn verstehen konnte.
Sie kannte ihren Mann gut genug, um zu wissen, dass er sich jetzt lieber aus dem Staub gemacht hätte. Sie schüttelte den Kopf und sagte: „du bleibst hier, sonst bekommst du von mir auch noch eins auf die Nase, mein Lieber.“
Immerhin registrierte er mit Wohlwollen, dass ihm die Wartenden angewidert aus dem Wege gingen.
Natürlich war ihm klar, dass es weniger mit Respekt zu tun hatte, als vielmehr mit der verständlichen Angst, sich mit seinem Blut zu beschmutzen. Obwohl es ja nicht wirklich vom Schwein stammte.
Durch das plötzliche Schweigen und die Bewegung, die in die Warteschlange gekommen war, wurde jetzt auch die Sprechstundenhilfe auf den schwer leidenden Henry aufmerksam.
Sie entschuldigte sich bei der Patientin, mit der sie gerade gesprochen hatte, und ging dann sofort auf Henry zu.
„Was ist denn mit ihnen passiert?“
Vor ihm stand eine junge, hübsche Frau, die ihre leicht gewellten, langen schwarzen Haare, stolz und schamlos, für jedermann sichtbar, hemmungslos zur Schau stellte.
„Und das in diesem Türkennest“, staunte Henry und bewunderte nicht nur ihren Mut.
Während Henry noch schweigend, aber intensiv mit ihrem Anblick beschäftigt war, konnte Andrea immerhin schon ihre Frage beantworten.
„Entschuldigen sie meinen Mann bitte, der ist sonst nicht so blöde, wie er jetzt gerade aussieht. Ich habe eine Schranktür offen gelassen und der Schussel ist dagegen gelaufen“, beantwortete sie die Frage nicht ganz wahrheitsgemäß.
„Das sieht ja böse aus. Dann kommen sie mal mit nach hinten und legen sie sich erst mal hin. Der Doktor wird sich die Verletzung zwischendurch mal ansehen. Sowie er einen Moment Zeit findet ist er bei ihnen.“
Sie führte Henry behutsam am Arm mit sich und sagte zu Andrea: „Sie können gerne mitkommen und auf ihren Mann aufpassen, damit ihm nicht noch mehr passiert.“
Andrea hatte offensichtlich ihren Spaß an der Bemerkung und kicherte vor sich hin.
Henrys Vergnügen hielt sich verständlicherweise in sehr engen Grenzen, weshalb er nur brummelte:
„Na klar, wer den Schaden hat, kann sich über mangelnden Spott seiner Frau nicht beklagen.“
Er legte sich im Behandlungszimmer auf eine Liege und spürte sofort, was ihm die ganze Zeit gefehlt hatte.
„So, jetzt kannst du das Taschentuch aber wegwerfen. Das sieht ja furchtbar dramatisch aus.“
„Gerade weil es so dramatisch aussieht, bleibt das Taschentuch genau da wo es ist, meine Liebe. Der Arzt soll gleich sehen, wie schlimm es um mich steht, damit er mich vorsichtig behandelt.“
„Wenn du nicht möchtest, dass dir jemand weh tut, solltest du in Zukunft besser auf deine Worte achten. Zumindest, wenn du außer Haus bist.“
Er schloss die Augen und ignorierte sie, gerade so, als wären sie nicht im selben Zimmer.
Kapitel 33
Erst als der Arzt den Raum betrat, war er wieder zu einem Gespräch bereit. Er öffnete kurz die Augen, schloss sie aber schnell wieder und hoffte, niemand würde ihm seine Gedanken ansehen.
„Natürlich kann ich seinen Namen weder lesen noch aussprechen“, dachte Henry, „der kommt vermutlich irgendwo aus Zentralafrika. Aus dem Kongo oder so. Gibt es da nicht genug Kranke? Und dann dieser Kontrast zum Arztkittel. Wenn weiße Ärzte, weiße Kittel tragen, sollten dann nicht schwarze…“ an dieser Stelle wurde sein Gedankengang unterbrochen, denn der Arzt fragte Andrea,
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