Durch Himmel und Hoelle
Haar mit einem Handtuch, nachdem sie vorher die seidigen Strähnen sorgfältig von Schmutz und Blut befreit hatte.
Elysia machte es sich in einem Sessel vor dem Kamin, der das ganze Zimmer mit wohliger Wärme erfüllte, bequem und schlürfte dankbar die Tasse heißen, aromatischen Tee, den ihr Dany verord- net hatte. Die Hitze des heißen Getränks wärmte ihre Hände durch das papierdünne Porzellan. Wie leicht wäre es, die Tasse zu zer- drücken, überlegte sie - und wie leicht war es zu sterben. Sie hatte gesehen, wie schnell der Tod einen Menschen ereilen konnte und et- was Besonderes und Wunderbares mit sich nahm, das nie wieder zurückkommen konnte. Wie schnell war ein Leben ausgehaucht - wie die Flamme einer Kerze! Sie hatte schon den kalten Odem ge- spürt, aber sie war ihm entkommen.
Und was hätte sie zurückgelassen, wenn sie gestorben wäre?
Diese schlimmen Tage der Wut und des Zanks wären ihre Hinter- lassenschaft gewesen. Ein Wermutstropfen in der Erinnerung derer, mit denen sie gelebt hatte. Das Leben war zu kurz, um nicht jedes bißchen Glück auszukosten, das sich bot.
Sie würde es gierig an sich reißen, wenn es ihr noch vergönnt war. Sie würde nehmen, was ihr Alex anbot, sogar wenn sie ihn mit Lady Woodley teilen mußte. Auch wenn sie ihn nur hin und wieder zu Gesicht bekam, war sie immer noch seine Frau, und er wollte einen Erben. Sie könnte seine Kinder lieben und betreuen, ein kleiner Teil von ihm, der ihr für immer gehören würde.
Alex war sehr besorgt um sie gewesen, als sie aus Blackmore zu- rückkamen, aber sie spürte die Mauer zwischen ihnen - eine Mauer aus Kälte und Gleichgültigkeit. Es war, als würde er ihr zu verste- hen geben, daß er sich um jeden, der verletzt war und Pflege nötig hatte, kümmern würde.
Es klopfte schüchtern an der Tür, und Louisa trat ein. Sie war sehr blaß, und dunkle Leidensringe überschatteten ihre grauen Au- gen. Ihre Hände umkrampften ein feuchtes Taschentuch, das schon sehr mitgenommen aussah.
»Louisa«, sagte Elysia leise und sah das Mädchen mitleidig an. »Ich freue mich, daß du gekommen bist.«
»Ich war mir nicht sicher, ob ich hier willkommen bin, nach. . . « Sie hielt inne, und Schmerz zeichnete ihr Gesicht, als sie hervor- stieß: »Nach allem, was man dir angetan hat.«
»Du kannst doch nichts dafür!« Elysia war ungehalten. »Du meinst doch nicht etwa, daß ich dich dafür verantwortlich mache oder auf dich böse bin?« Elysia breitete die Arme aus und drückte das verwirrte Mädchen an sich, das aussah, als würde ein weiterer Schlag sie in der Mitte entzweibrechen.
Elysia hielt Louisas zitternden Körper eng umfangen und flü- sterte beruhigende Worte, die den tiefen Schmerz, den Louisa er- dulden mußte, nicht lindern konnten. Aber sie schienen doch zu
wirken, denn Louisas Schluchzen wurde leiser, bis sie sich endlich erschöpft an Elysia lehnte und mühsam nach Luft rang.
»Weißt du noch, wie wir uns kennenlernten und ich zu dir sagte, daß wir beide eine Schulter brauchen, an der wir uns ausweinen können?« wollte Elysia wissen, während Louisa mit ihrem spitzen- besetzten Taschentüchlein ihre Tränen trocknete.
»Ja, ich erinnere mich daran«, sagte sie mit erstickter Stimme, »aber ich habe nie gedacht, daß man uns so schlimmen Kummer be- reiten würde. Es fällt mir immer noch schwer, das alles zu glauben.« Sie musterte verwundert den Bluterguß auf Elysias Wange. »Daß Mama vorhatte, dich zu töten... daß sie so w a r . . . daß sie tot sind«, flüsterte sie und versuchte, hinter dem ganzen einen Sinn zu finden. »Ich habe sie nie richtig gekannt. Ihr ganzes Leben war eine einzige große Lüge«, seufzte sie bedauernd. »Sie sind mir nie nahegestan- den. Weder Mama noch Papa haben mir je Zuneigung gezeigt. Ich habe mich manchmal gefragt, ob ich überhaupt erwünscht war. Als Kind war ich immer im Weg. Ich war öfter bei meinen Kinderfrauen als bei meinen Eltern. Erst als ich ins heiratsfähige Alter kam, wurde ich für sie wichtig.«
»Louisa, bitte nicht«, flüsterte Elysia, die es nicht ertragen konnte, den verletzten Ausdruck in ihrem blassen Gesicht zu sehen.
»Nein, bitte, ich muß der Wahrheit ins Auge sehen - es ist besser so. Ich bin über ihren Tod nicht traurig, ich bin nur durch ihren Verrat verletzt.«
Vielleicht war es besser, wenn Louisa ihr Herz ausschüttete. Sie gewann innere Stärke, wenn sie die Wahrheit akzeptierte. Am Ende würde sie als stärkerer Mensch aus dieser
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