Durch Himmel und Hoelle
Finsternis verschwand.
Er wandte den Blick aufs Meer - mit wachen Augen suchte er den Horizont ab, bis seine Mühe schließlich belohnt wurde. Ein Licht blitzte dreimal auf. Dann verschwand es. Er schaute kurz zu den Klippen, wußte aber, daß er das antwortende Blitzen der geschütz- ten Laterne nicht sehen würde, die dem Schiff aus einem Versteck signalisierte. Das Schiff würde in eine der zahlreichen Buchten der Küste segeln. Hätte er die Gegend nicht einigermaßen gekannt, wä- ren seine Chancen, ein solches Schiff, das unauffällig seine Schmug- gelfracht löschen wollte, zu orten, gleich Null gewesen. Die ge- samte Küste von Cornwall war von kleinen verschwiegenen Buch- ten und tief ins Land vorgeschobenen Schluchten durchbrochen, in denen ein Schiff unentdeckt vor Anker gehen und seine heimlichen Geschäfte erledigen konnte.
David Friday überquerte die Straße, band sein Pferd los, das er hinter einem Felsen gelassen hatte, und stieg schnell auf. Er ritt die
Straße entlang und folgte ihr mehrere Meilen, bis sich die Küstenli- nie abrupt nach außen wölbte und einen natürlichen Hafen, fast wie ein Fjord formte. Ein Fluß aus dem Moor ergoß sich dort ins Meer.
David stieg ab und ließ sein Pferd im Schutz einiger Kiefern zu- rück, dann arbeitete er sich langsam zum Rand der Schlucht vor und ließ sich vorsichtig von der Kante herunter. Plötzlich rutschte er ab und machte einen gefährlichen Satz nach vorn. Er landete auf einem Felsvorsprung, einem schmalen Grat, der ihn gerade noch davor be- wahrt hatte, in den Tod zu stürzen.
Er blieb keuchend liegen, rang nach Luft und horchte auf alar- mierte Stimmen. Aber es waren keine Anzeichen von Panik zu hö- ren - nur das Rauschen des Meeres. David atmete erleichtert auf. Sie waren sicher noch an der Mündung der Schlucht und luden die Fracht auf. Das Dröhnen der Brandung hatte das Geräusch seines Falles verschluckt, und der Ausguck, der oben an der Straße postiert war, um Ausschau nach Zollbeamten zu halten, war sicher zu weit weg, um etwas zu hören und Alarm zu geben.
David sah sich um. Er konnte den kleinen Hafen und die Silhou- ette des kleinen Luggers, der vor der Brandungslinie ankerte, deut- lich sehen. Ein kleines Boot ruderte in Richtung Land, wo ein paar Gestalten auf dem Sandstrand bereitstanden.
David hatte Einblick auf den Pfad, der direkt unter der Felsnase lag. Er machte es sich bequem. Es würde sicher noch einige Zeit dauern, bis alles abgeladen war und sie mit ihrem Aufstieg durch die Schlucht zur Straße beginnen würden. Ungeduld kannte er nicht. Er wollte dieses Schmugglernest um jeden Preis ausheben. Die Schmuggler selbst interessierten ihn nicht besonders. Die Männer, die ihren Hals riskierten, um über den Kanal zu segeln, der von der Marine Seiner Majestät und der Küstenwache patrouilliert wurde, waren nur die Arme und Beine des Unternehmens. Er wollte den Kopf - den Mann, der sicher auf englischem Boden saß und alles di- rigierte, ohne sich je seine weißen Hände schmutzig zu machen.
Jeder größere Hafen, jedes Fischerdorf und jeder Weiler hatte eine Bande Schmuggler. Von Romney Marsh bis in den Norden nach Yorkshire blühte der Schwarzhandel. Es war offensichtlich ein allgemein akzeptierter Zeitvertreib. In jeder Taverne gab es nach dem Essen einen guten französischen Cognac, und nachmittags wurde duftender, importierter Tee in den Salons feiner und von al- len respektierter Damen gereicht.
Die Steuern waren hoch, und wegen des Krieges gab es bei allen importierten Waren Engpässe. Die Menschen hatten sich aber an diese Luxusgüter gewöhnt und wollten sie nur ungern aufgeben. Diese Leute mit ihren kleinen illegalen Vorräten von Cognac, Seide, Tee und Schokolade interessierten ihn nicht. Die Dorfbewohner und Bauern, die sich einmal im Monat zusammentaten, über den Kanal ruderten und einen Vorrat Schwarzmarktgüter zurückbrach- ten, waren harmlos.
Er war hinter dem Schmuggler her, der »menschliche Fracht« hereinbrachte und Waren in großem Stil verhökerte - nicht nur ei- nen Ballen Seide und ein paar Fässer Cognac, sondern ein paar tau- send Fässer Weinbrand, mehrere hundert Pfund chinesischen Tee und ein Lagerhaus voll feinster Seidenstoffe, Samt und Spitzen. Der Verkauf an die modischen Läden in der Bond Street und an die Her- ren-Clubs von St. James brachte erheblichen Profit. Aber der größte Gewinn wurde gemacht beim Transport von Passagieren über den Kanal von Frankreich nach England. Ein
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