Durch Himmel und Hoelle
überführen. Er würde es genießen, wenn die Mauern von Blackmore Hall über dem Kopf des Squire zusammenkrachten. Aber dann dachte er wieder an zwei rauchig graue Augen, die ihn so vertrauensselig angesehen hatten. Wie konnte er Louisa Blackmores Welt zerstören? Sie war so un- schuldig und ahnte nichts von den schändlichen Verbrechen ihres Vaters. David hatte nie zuvor eine so bescheidene und schöne junge Frau kennengelernt. Eigentlich war sie ja noch ein junges Mädchen, sie war wohl höchstens sechzehn oder siebzehn.
Er würde nicht zulassen, daß sie durch diese Affäre Schaden nahm. Irgendwie mußte es ihm gelingen, sie zu beschützen. Aber wie sollte er das schaffen? Es war seine Aufgabe - seine Pflicht, ih- ren Vater als Verräter bloßzustellen und zu verhaften. Und wenn das passierte, konnte sie sich n u r beschämt und erniedrigt fühlen. Was würde sie dem Mann gegenüber empfinden, der den Untergang ihres Vaters besiegelt hatte? Haß? Ekel? Eine verworrene Angele- genheit, dachte er verzweifelt, als direkt vor ihm die kleine Moor- hütte in Sicht kam.
David vergewisserte sich mit einem kurzen Blick über die Schul- ter, daß ihm niemand gefolgt war, obwohl er einen großen Umweg gemacht hatte. Er wollte nicht riskieren, entdeckt zu werden. Er stieg ab, klopfte zweimal an die Tür und betrat die Hütte.
Es gab nur einen kleinen Raum, der von einer flackernden La- terne erleuchtet wurde. Ein einzelner Mann saß an dem grob gezim- merten Tisch in der Mitte des Raums.
»Guten Abend, Sir.« David salutierte zackig.
»Wohl kaum ein guter Abend, Lieutenant«, erwiderte der Mann erbost und zog sich die Jacke fester um die breiten Schultern. Nur seine buschigen eisengrauen Augenbrauen und die tiefliegenden Augen waren hinter dem hohen Kragen sichtbar. »Kommt und setzt Euch, Lieutenant, und ruht Euch aus. Ihr seht ziemlich mitge- nommen aus. Irgendwelche Schwierigkeiten gehabt?«
»Nein, Sir. Ich bin nur am Rand einer Klippe abgerutscht«, er- klärte David mit einem reumütigen Grinsen.
Der andere Mann stutzte, dann lächelte er. »Ich möchte Euch nur ungern verlieren, junger Mann. Immer noch Schwierigkeiten mit dem festen Boden? Ich komm' mir auch vor, als würde ich total schief gehen.«
»Ich glaube, ich werde nie wieder normal gehen können. Ich spüre immer noch das Schiffsdeck unter meinen Füßen.«
Sein Commander lachte - ein herzliches Lachen, das zahllose Lachfältchen um seine Augen zauberte. Sein Gesicht war sonnenge- bräunt und verwittert von der See und dem Wind. Er schaute den jungen Mann, der ihm gegenübersaß, mit einem durchdringenden Blick an.
»Nachdem Ihr so früh zurück seid, darf ich wohl annehmen, daß unser Freund nicht aufgetaucht ist.«
»Richtig, Sir. Es war nur eine Ladung Cognac und andere Güter. Keine Spur von irgendwelchen Fremden«, erwiderte David nieder- geschlagen.
»Irgendwann wird schon einer auftauchen - oder unser Freund wird sich entschließen, selbst die Reise über den Kanal anzutreten. Wir werden in jedem Fall bereit sein. Jetzt ist es von entscheidender Wichtigkeit, daß wir sie erwischen. Ich habe Nachricht aus Lon- don, daß gewisse streng geheime Informationen weitergegeben wurden und Geheimdokumente verschwunden sind. Diese Infor- mationen müssen unter allen Umständen abgefangen werden. Der Spionagering wird zerschlagen«, sagte er.
»Aber wie sind sie an solche Informationen herangekommen?«
»Wir hatten das Glück, den Verräter im Ministerium zu entlarven - ein unwichtiger Unterstaatssekretär, dessen Position ihm aber er- möglichte, an wichtige Informationen heranzukommen. Er wird vor Gericht gestellt. Seine Nützlichkeit hat sich erübrigt. Trotzdem haben wir es geheimgehalten, damit unsere Opfer nicht in Panik ge-
raten. Wir wollen doch nicht, daß sie fliehen und die Informationen mitnehmen, für die Napoleon seine Seele verkaufen würde, wenn er sie nicht ohnehin schon dem Teufel verschrieben hat.«
»Wissen wir, wer die Informationen hat?« fragte David. Ein Muskel zuckte in seiner Wange. »Ist es Blackmore?«
»Nein. Bis jetzt hat der gute Squire nur französische Spione nach England transportiert, zusammen mit seiner anderen Schmuggel- ware. Er hat sich noch nicht die Hände schmutzig gemacht, indem er selbst spionierte«, entgegnete Davids Vorgesetzter angewidert. »Obwohl das die Sache auch nicht mehr verschlimmert hätte. Gutes englisches Gold für diese Waren zu bezahlen ist praktisch dasselbe, wie es Napoleon direkt in
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