Durch Mark und Bein: 4. Fall mit Tempe Brennan
sein. Eli hasst mich. Findet Gefallen daran, mich zu quälen. Er weiß, dass ich stolz bin auf dieses Haus. Er weiß, dass ich Sie mag. Er wollte mir nur eins auswischen.«
»Vielleicht will er einfach nur Aufmerksamkeit.«
Schau dir den Jungen doch an, dachte ich, sagte es aber nicht.
»Vielleicht.«
»Ich bin mir sicher, dass er sich irgendwann bessern wird. Und machen Sie sich keine Gedanken wegen meiner Sachen. Es kam ja nichts weg.« Ich wechselte das Thema. »Ist sonst irgendjemand hier?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Ich glaube, Mr. McMahon ist nach Charlotte gefahren. Mr. Ryan habe ich den ganzen Tag nicht gesehen. Alle anderen sind abgereist.«
Wieder hörte ich Bellen.
»War Boyd recht lästig?«
»Der Hund war heute ziemlich schlecht gelaunt. Braucht Bewegung.« Sie strich sich den Rock glatt. »Ich gehe jetzt in die Kirche. Soll ich Ihnen vorher noch das Abendessen bringen?«
»Bitte.«
Rubys Schweinebraten mit Süßkartoffelbrei hatte eine beruhigende Wirkung. Beim Essen machte die Panik, die mich durch die Dämmerung hatte rasen lassen, einer bedrückenden Einsamkeit Platz.
Ich dachte an die Frau an Petes Telefon, fragte mich, warum ihre Stimme mich getroffen hatte wie ein Tritt in den Magen. Es war zwar sicher tatsächlich postkoitale Schläfrigkeit, die ich da gehört hatte, aber was machte das? Pete und ich waren beide erwachsen. Ich hatte ihn verlassen. Er hatte das Recht zu treffen, wen er wollte.
Verdamme nicht, und du wirst tanzen.
Ich fragte mich, was ich wirklich für Ryan empfand. Ich wusste, dass er ein Mistkerl war, aber wenigstens war er ein charmanter Mistkerl; nur sein Rauchen ging mir auf die Nerven. Er war intelligent. Er war lustig. Er war unglaublich attraktiv, hatte allerdings keine Ahnung von seiner Wirkung auf Frauen. Und er hatte ein Herz für die Menschen.
Viele Menschen.
Wie Danielle.
Warum war dann Ryans Nummer eine der ersten gewesen, die ich gewählt hatte? Nur weil er gerade in der Nähe war? Oder war er mehr als ein Kollege, ein Mensch, an den ich dachte, wenn ich Schutz oder Trost brauchte?
Ich erinnerte mich an Primrose, und wieder überfiel mich die Reue. Ich hatte meine Freundin in diese Geschichte mit hineingezogen, und jetzt war sie tot. Ich war schuld an ihrem Tod. Die Gewissensbisse waren niederschmetternd, und ich war mir sicher, dass sie mich den Rest meines Lebens plagen würden.
Genug. Lies den Brief, den Ruby gebracht hat. Er wird dir dankbar sein und sagen, es war toll.
So war es auch. Der Umschlag enthielt ein Exemplar der Studentenzeitung mit dem Foto von mir und Simon Midkiff. Die Anspannung stand mir deutlich ins Gesicht geschrieben.
Aber Simon Midkiff machte eine gute Figur. Ich betrachtete sein Gesicht, fragte mich, was er an diesem Tag wohl im Sinn gehabt hatte. Hatte man ihn geschickt, um mich auszuhorchen? War er aus eigenem Antrieb gekommen? Es kommt oft vor, dass ein Wissenschaftskollege die Vorlesungen eines anderen besucht. War er es gewesen, der mir die Liste mit den Codenamen gefaxt hatte? Falls er es getan hatte, warum verriet er so seine Komplizenschaft?
Mein Grübeln wurde unterbrochen von einem scharfen Kläffen und gleich darauf einem zweiten.
Der arme Boyd. Er war das einzige Wesen auf dem Planeten, dessen Treue nie wankte, und ich ignorierte ihn. Ich sah auf die Uhr. Zwanzig nach acht. Zeit für einen schnellen Lauf, bevor Crowe um neun ankam.
Ich schloss Computer und Aktentasche in den Schrank, für den Fall, dass Eli an eine Wiederholung seiner Aktion dachte. Dann zog ich mir die Jacke an, nahm Taschenlampe und Leine und ging nach unten.
Die Nacht hatte das Regiment übernommen und Myriaden von Sternen aufziehen lassen, aber keinen Mond. Die Verandabeleuchtung konnte gegen die Dunkelheit nur wenig ausrichten. Als ich über den Rasen ging, beschoss mein limbisches System mich mit Fragen.
Was, wenn dich jemand beobachtet?
Wie Eli, der jugendliche Rächer?
Was, wenn der Anruf kein schlechter Witz war?
Mach doch kein Drama draus, sagte ich mir. Es ist das Wochenende nach Halloween, und die Jugendlichen treiben Unfug. Du hast doch McMahon und Ryan Nachrichten hinterlassen.
Was, wenn sie sie nicht abhören?
Der Sheriff ist in vierzig Minuten hier.
Da draußen könnte jetzt jemand auf dich lauern.
Was konnte mir in der Gesellschaft eines siebzig Pfund schweren Chow-Chows schon passieren?
Der siebzig Pfund schwere Chow-Chow kläffte noch einmal, und ich lief die letzten Meter zu seinem Gehege. Als er die
Weitere Kostenlose Bücher