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Durch Mark und Bein: 4. Fall mit Tempe Brennan

Durch Mark und Bein: 4. Fall mit Tempe Brennan

Titel: Durch Mark und Bein: 4. Fall mit Tempe Brennan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
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wie die Metallkugel in einem Flipper.
    Jemand musste wissen, wo ich mich aufhielt. Jemand, den ich nicht in Gefahr bringen konnte.
    Sonntagabend. Ich wählte meine alte Nummer.
    »Hallo.« Eine Frauenstimme, weich wie das Schnurren einer Katze.
    »Ist Pete da?«
    »Er ist in der Dusche.«
    Ich hörte ein Glockenspiel bimmeln. Ein Glockenspiel, das ich vor Jahren vor meinem Schlafzimmerfenster aufgehängt hatte.
    »Soll ich was ausrichten?«
    Ich schaltete ab.
    »Scheiß drauf«, murmelte ich. »Ich schaff das alleine.«
    Ich hängte mir Handtasche und Laptop über die Schultern, nahm das Skalpell wieder in die eine Hand, die Schlüssel in die andere. Dann öffnete ich die Tür einen Spalt und spähte hinaus.
    Mein Mazda stand alleine zwischen den ausgelagerten Spritzen- und Leiterwagen. Im Zwielicht sah er aus wie ein Warzenschwein, das eine Herde Flusspferde herausfordert.
    Ein tiefer Atemzug.
    Dann rannte ich los.
    Am Auto angelangt, sprang ich hinein, verriegelte sämtliche Türen, ließ den Motor an und raste vom Parkplatz.
    Nach ungefähr einem Kilometer beruhigte ich mich ein wenig, und eine Wut, die kein rechtes Ziel fand, breitete sich über die Angst. Ich übte Selbstkritik.
    Mein Gott, du bist wie die Heldin in einem schlechten Horrorfilm. Ein Knarzen, und du rufst nach einem großen, starken Mann.
    Als ich am Straßenrand Wild bemerkte, schaute ich auf meinen Tacho. Hundertdreißig. Ich bremste und haderte weiter mit mir selbst.
    Keiner kam hinter dem Gebäude hervorgesprungen, keiner lag unter dem Auto und packte dich am Knöchel.
    Das stimmte natürlich. Aber das Fax war kein Witz. Wer es geschickt hatte, wusste, dass ich es kriegen würde. Wusste, dass ich allein im Leichenschauhaus war.
    Auf der Fahrt durch Bryson City schaute ich immer wieder in den Rückspiegel. Die Halloween-Dekorationen wirkten jetzt eher bedrohlich als festlich, die Skelette und Grabsteine waren makabre Mahnungen an die Gräuel, die ganz in der Nähe passiert waren. Ich umklammerte das Lenkrad fester und fragte mich, ob die Seelen meiner Skelettierten die Welt auf der Suche nach Gerechtigkeit durchstreiften.
    Fragte mich, ob ihre Mörder die Welt auf der Suche nach mir durchstreiften.
     
    Am High Ridge House stellte ich den Motor ab und spähte die Straße hinunter, die ich gerade hochgekommen war. Keine Scheinwerfer schlichen den Berg hoch.
    Ich wickelte das Skalpell in eine Serviette von Wendy’s ein und steckte es in meine Jackentasche, um es später ins Leichenschauhaus zurückzubringen. Dann suchte ich meine Habseligkeiten zusammen und rannte zur Veranda.
    Das Haus war still wie eine Kirche an einem Donnerstag. Wohnzimmer und Küche waren leer, und auf dem Weg ins Obergeschoss kam mir niemand entgegen. Hinter Ryans und McMahons Türen hörte ich weder Rascheln noch Schnarchen.
    Ich hatte kaum die Jacke ausgezogen, als ein leises Klopfen mich hochfahren ließ.
    »Ja.«
    »Ich bin es, Ruby.«
    Ihr Gesicht war blass und angespannt, und ihre Haare glänzten mehr als eine Seite in der Vogue.
    Als ich sie einließ, gab sie mir einen Umschlag.
    »Das ist heute für Sie angekommen.«
    Ich warf einen Blick auf den Absender. Anthropologische Fakultät, University of Tennessee.
    »Danke.«
    Ich wollte die Tür wieder schließen, aber sie hob die Hand.
    »Da ist noch etwas, das Sie wissen müssen. Etwas, das ich Ihnen sagen muss.«
    »Ich bin sehr müde, Ruby.«
    »Es war kein Eindringling, der Ihr Zimmer verwüstet hat. Es war Eli.«
    »Ihr Neffe?«
    »Er ist nicht mein Neffe.«
    Sie zögerte kurz.
    »Im Evangelium des Matthäus steht, dass derjenige, der seine Frau verstößt –«
    »Warum sollte Eli meine Sachen durchwühlen?« Ich war nicht in der Stimmung für ein religiöses Gespräch.
    »Mein Mann hat mich wegen einer anderen Frau verlassen. Sie und Enoch hatten ein Kind.«
    »Eli.«
    Sie nickte.
    »Ich wünschte ihnen nur das Schrecklichste. Ich wünschte ihnen, dass sie in der Hölle schmoren. Ich dachte, wenn dein Auge dich stört, reiß es aus. Ich habe sie aus meinem Leben ausgerissen.«
    Gedämpft hörte ich Boyd bellen.
    »Als Enoch starb, rührte Gott mein Herz. Richtet nicht, so werdet ihr auch nicht gerichtet; verdammt nicht, so werdet ihr auch nicht verdammt, vergebt, so wird euch vergeben.«
    Sie seufzte schwer.
    »Elis Mutter starb vor sechs Jahren. Der Junge hatte niemanden mehr, und so nahm ich ihn zu mir.«
    Sie senkte den Blick, schaute mich wieder an.
    »Des Menschen Feinde werden die eigenen Hausgenossen

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