Durch Mark und Bein: 4. Fall mit Tempe Brennan
durch die Nase atmend, an meinen Fesseln zu rütteln.
Der Magen drehte sich mir um, der Mund wurde trocken.
Jahrtausende vergingen. Das Band lockerte sich um einen Millimeter.
Tränen der Frustration stiegen mir hinter den zugedrückten Lidern hoch.
Nicht weinen!
Ich arbeitete weiter mit Hand- und Fußgelenken, riss, drehte, zerrte und hielt immer wieder inne, um auf Geräusche außerhalb des Sacks zu horchen.
Kakerlaken krochen mir übers Gesicht, ihre Beine wie Federn auf meiner Haut.
Weg!, kreischte ich im Geiste. Verschwindet!
Ich versuchte es weiter. Schweiß nässte mir die Haare.
Mein Bewusstsein stieg in die Höhe wie ein nächtlicher Vogel, und ich schaute auf mich herab, eine hilflose Larve auf dem Waldboden. Ich sah die Schwärze um mich herum und sehnte mich nach der Sicherheit einer vertrauten nächtlichen Zuflucht.
Ein rund um die Uhr geöffnetes Café. Ein Mauthäuschen. Ein Polizeirevier. Das Schwesternzimmer einer nachtstillen Krankenstation. Eine Notaufnahme.
Dann fiel es mir wieder ein.
Das Skalpell!
Konnte ich es erreichen?
Ich zog die Knie an die Brust, um den Saum der Jacke so weit wie möglich hochzuschieben. Dann schob ich die Ellbogen über das Nylon und drückte dabei die Hüfte heraus. Blindlings schob ich die Tasche nach vorne, nur mein Tastgefühl sagte mir, wo sie sich gerade befand.
So las ich meine Kleidung wie eine Braille-Karte, fand schließlich die Nylonschlaufe am Reißverschlusshäkchen und fasste sie mit den Fingerspitzen beider Hände.
Ich hielt den Atem an und zog daran.
Meine Finger glitten am Nylon entlang und rutschten ab.
Verdammt.
Ich versuchte es noch einmal, mit demselben Ergebnis.
Mehrmals wiederholte ich das Manöver, tastete, drückte und zog, bis meine Hände sich verkrampften und ich am liebsten geschrien hätte.
Neue Taktik.
Mit dem Rücken der linken Hand drückte ich das Reißverschlusshäkchen an den Schenkel, dann bog ich das rechte Handgelenk ab und versuchte, einen Finger durch die Schlaufen zu schieben. Der Winkel war zu flach.
Ich bog die Hand noch weiter ab. Es funktionierte nicht.
Mit den Fingern meiner linken Hand drückte ich auf die rechte, um sie noch weiter nach hinten zu biegen. Schmerz schoss in die Sehnen des Unterarms.
Als ich schon dachte, gleich würden die Knochen brechen, fand mein Zeigefinger die Schlaufe und hakte sich ein. Ich zog leicht daran. Das Häkchen bewegte sich, und mit gefesselten Handgelenken zog ich den Reißverschluss ganz auf. Nun war es einfach, die Finger einer Hand in die Tasche zu stecken und das Skalpell herauszuziehen.
Behutsam meine Beute mit beiden Händen fassend, drehte ich mich auf den Rücken und drückte mir den Griff an den Bauch. Dann schälte ich die Serviette ab, indem ich das Skalpell zwischen den Händen drehte. Ich drehte die Schneide meinem Körper zu und begann, an dem Band, das meine Handgelenke fesselte, zu säbeln. Das Skalpell war rasiermesserscharf.
Langsam. Vorsichtig. Schneid dir nicht ins Handgelenk.
In weniger als einer Minute waren meine Hände frei. Mit der Rechten riss ich mir das Band von den Lippen. Flammen rasten mir übers Gesicht.
Nicht schreien!
Ich riss mir den Knebel aus dem Mund und keuchte und spuckte abwechselnd. An meinem fauligen Speichel würgend, durchschnitt ich das Band um den Kopf und riss es mir von den Augen.
Wieder loderten Flammen, als Hautfetzen und einige Augenbrauenhaare am Band kleben blieben. Mit zitternden Händen griff ich nach unten und löste das Band um meine Füße.
Ich zerschnitt gerade den Sack, als ein Geräusch meinen Arm lähmte.
Das Knallen einer Autotür!
Wie weit weg? Was tun? Mich tot stellen?
Mein Arm schnellte auf und ab, wie ein Kolben, den sein eigener Wille bewegte.
Füße raschelten im Laub. Ich schätzte die Entfernung.
Fünfzig Meter.
Ich zerschnitt die Leinwand. Auf, ab. Auf, ab.
Das Rascheln wurde lauter.
Dreißig Meter.
Ich stieß die Stiefel durch die Öffnung und trat mit all meiner Kraft aus. Das Reißen klang in der Stille wie ein Schrei.
Das Rascheln verstummte, kam wieder, schneller, unbekümmerter.
Zwanzig Meter.
Fünfzehn.
»Keine Bewegung.«
Ich stellte mir die Waffe vor, spürte Kugeln, die mir ins Fleisch drangen. Es war egal. Entweder gleich sterben oder später. Und lieber sich wehren, solange es noch eine Chance dazu gab.
»Rühren Sie sich nicht.«
Ich drehte mich um, packte die Ränder des Lochs und zerrte sie mit beiden Händen auseinander. Dann schnellte ich mit dem Kopf
Weitere Kostenlose Bücher