Durch Mark und Bein: 4. Fall mit Tempe Brennan
einer Dokumentation vom Fundort entfernt haben.«
»Das war eine außergewöhnliche Situation, die sofortiges Eingreifen verlangte. Ich handelte nach bestem Wissen und Gewissen, wie ich Dr. Tyrell bereits erklärt habe.«
Davenport beugte sich vor, und sein Ton wurde hart.
»War der Diebstahl dieser Überreste ebenfalls eine Handlung nach bestem Wissen und Gewissen?«
»Was?«
»Das Fundstück, um das es hier geht, befindet sich nicht mehr im Leichenschauhaus.«
»Darüber weiß ich nichts.«
Die langweiligen braunen Augen verengten sich.
»Tatsächlich.«
Davenport nahm die Kassette, ging zu einer TV/Video-Anlage und schob sie in den Rekorder. Als er den Abspielknopf drückte, erschien eine gespenstisch graue Szene auf dem Bildschirm, und ich wusste sofort, dass es ein Überwachungsband war. Ich erkannte den Highway und die Einfahrt zum Parkplatz des Leichenschauhauses.
Wenige Sekunden später kam mein Auto ins Bild. Ein Wachposten winkte mich weg. Primrose tauchte auf, redete mit dem Posten, kam mit ihrem Stock zum Auto gehumpelt und gab mir eine Tüte. Wir wechselten ein paar Worte, dann klopfte sie mir auf die Schulter, und ich fuhr davon.
Davenport drückte auf »Stopp« und spulte das Band zurück. Als er zu seinem Stuhl zurückkehrte, sah ich die beiden anderen Männer an. Beide musterten mich mit undurchdringlichen Mienen.
»Lassen Sie mich zusammenfassen«, sagte Davenport. »Nach einer höchst irregulären Folge von Ereignissen ist das fragliche Fundstück, das Sie angeblich Kojoten entrissen haben, jetzt verschwunden.«
»Was hat das mit mir zu tun?«
Davenport nahm ein anderes Papier zur Hand.
»Am frühen Sonntagmorgen entfernte die Datentypistin Primrose Hobbs ein menschliches Gewebeteil mit der Fallnummer 387 aus einem Kühlanhänger, in dem in Arbeit befindliche Fälle aufbewahrt wurden. Dann ging sie zur Aufnahmeabteilung und entnahm das Katastrophenopfer-Paket, das zu diesen Überresten gehörte. Später an diesem Vormittag wurde Miss Hobbs dabei beobachtet, wie sie Ihnen auf dem Parkplatz des Leichenschauhauses ein Paket übergab. Diese Transaktion wurde aufgenommen, und wir haben das Band eben gesehen.«
Davenport durchbohrte mich mit seinem Blick.
»Die Überreste und das Paket sind jetzt verschwunden, Dr. Brennan, und wir glauben, dass Sie sie haben.«
»Ich würde Ihnen dringend raten, mit Miss Hobbs zu sprechen.« Meine Stimme war wie Eis.
»Das haben wir natürlich als Allererstes versucht. Leider ist Miss Hobbs diese Woche nicht zur Arbeit gekommen.«
»Wo ist sie?«
»Das ist unklar.«
»Ist sie aus Ihrem Hotel ausgezogen?«
»Dr. Brennan, ich weiß, dass Sie eine staatlich geprüfte forensische Anthropologin von internationalem Ansehen sind. Mir ist bewusst, dass Sie Dr. Tyrell bereits in der Vergangenheit als Beraterin zur Seite gestanden haben, wie auch anderen Leichenbeschauern weltweit. Wie man mir sagte, sind Ihre Referenzen untadelig. Dies macht Ihr Verhalten in dieser Angelegenheit umso verwirrender.«
Davenport wandte sich seinen Beisitzern zu, als suche er Unterstützung.
»Wir wissen nicht, warum Sie so besessen sind von diesem Fall, aber es ist klar, dass Ihr Interesse weit über das hinausgeht, was beruflich oder moralisch vertretbar wäre.«
»Ich habe nichts Unrechtes getan.«
Nun meldete sich zum ersten Mal Earl zu Wort.
»Ihre Absichten mögen ja ehrbar sein, Tempe, aber unerlaubtes Entfernen eines Leichenteils zeugt von einem sehr schlechten Urteilsvermögen.«
Er senkte den Blick und wischte sich ein nicht existentes Staubkörnchen von der Hose.
»Und es ist illegal«, ergänzte Davenport.
Ich sprach den Leiter des DMORT direkt an. »Earl, Sie kennen mich. Sie wissen, dass ich so etwas nie tun würde.«
Bevor Earl antworten konnte, tauschte Davenport das Blatt in seiner Hand durch einen braunen Umschlag aus und schüttelte zwei Fotos heraus. Er sah das größere kurz an, legte es auf den Tisch und schob es mir dann mit einem Finger zu.
Einen Augenblick lang hielt ich es für einen Witz.
»Das sind Sie, Dr. Brennan, nicht?«
Ryan und ich aßen Hot Dogs gegenüber des Great Smoky Mountain Railroad Depot.
»Und Lieutenant-Detective Andrew Ryan aus Quebec.« Er sprach es Quwie-beck aus.
»Inwiefern ist das relevant, Mr. Davenport?« Obwohl mein Gesicht brannte, bemühte ich mich um eine eisige Stimme.
»Wie ist Ihre Beziehung zu diesem Mann?«
»Detective Ryan und ich arbeiten seit Jahren zusammen.«
»Aber gehe ich recht in der
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