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Durch Mark und Bein: 4. Fall mit Tempe Brennan

Durch Mark und Bein: 4. Fall mit Tempe Brennan

Titel: Durch Mark und Bein: 4. Fall mit Tempe Brennan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
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meinen Gliedern hängt.
    Ich schaute stur geradeaus, mied jeden Augenkontakt. Mein Herz hämmerte, während ich mich vorwärts schob, ein Schwimmer, der sich ans Ufer kämpft. Die Entfernung bis zum Hotel kam mir ozeanisch, unüberwindbar vor.
    Plötzlich spürte ich eine starke Hand an meinem Arm, und ich war in der Lobby. Ein Staatspolizist verriegelte die Glastür und starrte die Meute draußen böse an.
    »Alles in Ordnung, Ma’am?«
    Ich traute meiner Stimme zu wenig, um etwas zu erwidern.
    »Hier entlang, bitte.«
    Ich folgte ihm zu einer Reihe von Aufzügen. Während der Fahrt nach oben stand der Polizist mit gefalteten Händen und abgespreizten Füßen da. Ich hatte weiche Knie und versuchte, Ordnung und Ruhe in meine Gedanken zu bekommen.
    »Wie hat die Presse hiervon Wind bekommen?«, fragte ich.
    »Das weiß ich nicht, Ma’am.«
    Im zweiten Stock ging der Beamte zu Zimmer 201 und stellte sich mit dem Rücken an die Wand neben der Tür.
    »Die Tür ist nicht verschlossen.« Er richtete seinen Blick auf etwas, das nicht ich war.
    Ich atmete einmal tief durch, drehte den Knauf und trat ein.
    Hinter einem Tisch vor der gegenüberliegenden Wand saß der zweitmächtigste Mann des Staates North Carolina. Von einer Million Gedanken, die mir in diesem Augenblick durch den Kopf schossen, blieb nur einer hängen: Parker Davenports Hautfarbe hatte sich seit unserer ersten Begegnung am Tag des Unfalls deutlich gebessert.
    Links vom Vizegouverneur saß Dr. Larke Tyrell, rechts von ihm Earl Bliss. Der ME schaute mich an und nickte. Der Leiter des DMORT wich meinem Blick aus.
    »Dr. Brennan, bitte setzen Sie sich.« Der Vizegouverneur deutete auf einen Stuhl direkt vor dem Tisch.
    Während ich mich setzte, lehnte sich Davenport zurück und verschränkte die Finger auf seiner Weste. Der Ausblick hinter ihm war spektakulär, eine Postkartenansicht der Smoky Mountains in einer Explosion von Herbstfarben. Ich musste die Augen gegen das grelle Sonnenlicht zusammenkneifen und merkte, dass ich im Nachteil war. Wäre Tyrell der Verantwortliche gewesen, hätte ich gewusst, dass die Sitzverteilung Taktik war. Bei Davenport war ich mir nicht sicher, ob er so klug war.
    »Möchten Sie Kaffee?«, fragte Davenport.
    »Nein, danke.«
    Als ich mir Davenport genauer anschaute, hatte ich Schwierigkeiten, mir vorzustellen, wie er sich so lange in einem öffentlichen Amt hatte halten können. Er war weder groß noch klein, weder dunkel noch blond, weder glatt noch runzlig. Seine Haare und seine Augen waren von einem unbestimmbaren Braun, und seine Redeweise war flach und ohne Modulation. In einem System, das seine Führer nach Aussehen und Eloquenz wählt, war Davenport eigentlich kein ernsthafter Bewerber. Kurz gesagt, Davenport prägte sich nicht ein. Die Leute wählten ihn und vergaßen ihn dann wieder.
    Der Vizegouverneur löste die Finger voneinander, untersuchte seine Handflächen und sah mich an.
    »Dr. Brennan, mir sind einige sehr beunruhigende Behauptungen zu Ohren gekommen.«
    »Ich bin froh, dass wir uns hier treffen, um diese Sache aufzuklären.«
    »Ja.« Davenport beugte sich über den Tisch und öffnete eine Akte. Links davon lag eine Videokassette. Niemand sagte etwas, als er ein Blatt herauszog und überflog.
    »Ich möchte gern sofort zur Sache kommen.«
    »Ich bitte darum.«
    »Haben Sie vor dem Eintreffen von Vertretern der NTSB oder des Leichenbeschauers am vierten Oktober die Absturzstelle betreten?«
    »Da ich in der Gegend war, bat Earl Bliss mich, vorbeizukommen.« Ich sah den Leiter der DMORT an. Er hielt den Blick auf seine Hände im Schoß gerichtet.
    »Hatten Sie den offiziellen Auftrag, dorthin zu gehen?«
    »Nein, Sir, aber –«
    »Haben Sie sich fälschlich als offizielle Vertreterin des NDMS ausgegeben?«
    »Nein, Sir, das habe ich nicht.«
    »Haben Sie sich in die Such- und Bergungsbemühungen der lokalen Behörden eingemischt?«
    »Auf gar keinen Fall!« Ich spürte, wie mir die Hitze den Hals hoch und ins Gesicht stieg.
    »Haben Sie Deputy Anthony Skinner befohlen, eine Schutzhülle von einem Absturzopfer zu entfernen, obwohl Sie wussten, dass die Gefahr von Raubtierfraß bestand?«
    »Das ist die übliche Vorgehensweise.«
    Ich wandte mich Earl und Larke zu. Keiner der beiden erwiderte meinen Blick. Bleib ruhig, sagte ich mir selber.
    »Es wird behauptet, dass Sie sich über eben diese übliche Vorgehensweise hinweggesetzt hätten«, Davenport betonte meine Formulierung, »indem Sie Überreste vor

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