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Durch Zeit und Raum

Durch Zeit und Raum

Titel: Durch Zeit und Raum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madeleine L'Engle
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jedenfalls ist es der erfundene Bericht über zwei Brüder aus dem alten Wales, die nach dem Tod ihres Vaters als erste Europäer nach Amerika kamen und an seinen unbekannten Gestaden landeten. Sie hatten schon in Wales Streit gehabt, und in der Neuen Welt stritten sie gleich weiter, bis sich der ältere der beiden nach Südamerika aufmachte. Madoc, der jüngere, blieb bei den Indianern – an einem Ort, dessen Namen uns nicht verraten wird, der aber nach den Angaben, die Matthew Maddox macht, in unserer unmittelbaren Umgebung liegen müßte —, und Madoc heiratete hier die indianische Prinzessin Zyll oder Zyllah, und im Roman geht es darum, die Geschichte seines verschollenen Geschlechts wiederzuerkunden.«
    »Klingt interessant«, sagte Chuck.
    Beezie rümpfte die Nase. »Ich mag utopische Romane nicht besonders. Märchen sind mir lieber.«
    » Das Horn der Freude enthält Elemente von beidem. Das Motiv, daß der jüngere, ehrliche, aber unentschlossene Bruder den älteren besiegt, den stolzen und machthungrigen, dieses Motiv könnte ebensogut aus einem Märchen stammen. Auch kommt im Buch ein Einhorn vor, das durch die Zeiten reisen kann.«
    »Warum hast du uns von dem noch nie erzählt?« wollte Beezie wissen.
    »Weil ich dachte, ihr seid noch zu jung, um euch dafür zu interessieren. Außerdem habe ich mein Exemplar des Buches verkauft, als man mir dafür eine ungewöhnlich hohe Summe bot und ich… und ich… Also, ein solches Angebot konnte ich damals einfach nicht ablehnen. Für einen Zeitgenossen des neunzehnten Jahrhunderts hatte Matthew Maddox eine außerordentliche Vorstellung von Raum und Zeit, wie sie Einstein erst viele, viele Jahre später in seiner Relativitätstheorie entwickelte.«
    »Das glaube ich nicht!« widersprach Beezie. »Das ist doch nicht möglich.«
    »Man kann es kaum glauben, stimmt. Und doch steht alles schon in Matthews Buch. Es ist eine zwingende, atemberaubende Geschichte. Und weil Matthew Maddox annahm, er selbst stamme von dem jüngeren Waliser ab, von dem, der hier blieb und die Indianerprinzessin heiratete, ließ ich mich von ihm zu dem dummen Glauben verleiten, daß der Name Maddox von Madoc kommt.« Ein Schatten legte sich über sein Gesicht. »Und als mein Vater den Schlaganfall erlitt, mußte ich meine Poetenklause in der Stadt verlassen und kam hierher, um im Laden auszuhelfen. Da war der Traum ausgeträumt, einmal in Matthews Fußstapfen zu treten.«
    »Ach, Vater…«, sagte Chuck.
    »Es tut mir ja vor allem um euretwillen leid, Kinder. Ich hatte nie Gelegenheit herauszufinden, ob ich als Dichter etwas getaugt hätte; ich konnte nur beweisen, daß ich als Krämer ein Versager bin.« Er stand auf. »Ich muß noch auf eine Stunde in den Laden hinunter und mich um die Geschäftsbücher kümmern.«
    Auch als er ging und sich auf der steilen Treppe am Geländer festhielt, begleitete ihn der seltsame Geruch, der Chuck so viel Angst eingejagt hatte.
    Chuck sprach mit keinem, nicht einmal mit Beezie, über diesen Geruch, der seinem Vater anhaftete, ohne zu ihm zu gehören.
    In der darauffolgenden Woche wurde Chuck zweimal von furchtbaren Bildern geplagt. Er schrie im Schlaf, bis seine Mutter gelaufen kam, sagte dann aber nur, er habe schlecht geträumt. Beezie ließ sich nicht so leicht abwimmeln. »Etwas bedrückt dich, Chuck!«
    »Es gibt immer etwas, das einen bedrücken kann. Viele Leute sind Pa Geld schuldig, und ihn bedrücken die offenen Rechnungen. Ich habe unlängst gehört, wie ein Lieferant gesagt hat, er könne Pa nicht länger Kredit geben.«
    »Du bist zu jung, um dir über solche Sachen Gedanken zu machen«, meinte sie. »Außerdem ist es nicht das, was dich bedrückt.«
    »Ich werde älter.«
    »Trotzdem.«
    »Pa gibt mir jetzt mehr im Laden zu tun. Ich lerne das Geschäft immer besser kennen.«
    »Trotzdem. Das ist es nicht, was dich bedrückt.«
    Er versuchte es andersherum. »Mir gefällt nicht, wie sich Paddy O’Keefe in der Schule immer in deiner Nähe herumtreibt.«
    »Paddy O’Keefe hat die Klasse dreimal wiederholt. Er ist ein guter Baseball-Spieler, aber ich gehöre nicht zu den Mädchen, die glauben, daß die Sonne seinetwegen auf- und untergeht.«
    »Vielleicht stellt er dir gerade deshalb nach.« Es war Chuck gelungen, ihre Aufmerksamkeit auf ein anderes Thema zu lenken.
    »Ich laß ihn ohnehin nicht an mich heran. Er wäscht sich nie. Wonach riecht er, Chuck?«
    »Nach einem Murmeltier mit fettigen Schuppen im Haar.«
    Eines Abends sagte Beezie

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