Durchgebrannt - Roman
Augen flackern so.
»Du lügst, Anna, du denkst dir das aus, um mich fertigzumachen.«
Jetzt spuckt sie Gift und Galle. »Ich lüge nicht. Aber ich kann nur für dich hoffen, dass heute nicht wirklich Sarahs letzter Geburtstag ist. Dass sie nicht stirbt, während du hier Party machst und Mädchen aufreißt. Wenn es passiert, während du hier bist, wirst du dir das nie verzeihen.«
Mit diesen Worten verschwindet sie und ich höre nur noch das Sausen des Blutes in meinen Ohren.
16
Nach dem Streit mit Anna habe ich prompt Kopfschmerzen. Einen Druck links und rechts an den Schläfen, als wäre mein Schädel in ein mittelalterliches Foltergerät eingespannt. Ich massiere die schmerzenden Stellen mit beiden Händen, aber ohne große Wirkung.
Dann nehme ich wie ein Verurteilter selbst mein Handy in die Hand und wähle unsere Telefonnummer. Ich warte auf die Stimme meines Vaters, der knurrig unseren Nachnamen sagt, oder das aufgeschreckte »Ja?« meiner Mutter. Ich warte auf das größte Donnerwetter meines Lebens -- aber noch viel mehr auf Erlösung.
Doch es gibt keine Erlösung für mich. Zumindest in einem Punkt hatte Anna recht. Bei uns meldet sich niemand. Weder beim Festanschluss noch auf den Handys.
Mit zusammengebissenen Zähnen trotte ich zu unseren Zelten. Ricarda kommt mir fröhlich entgegen, sieht aber mein verkniffenes Gesicht. »Ärger?«, fragt sie und verzichtet darauf, mich zu küssen.
»Ist ein besonders ätzender Tag heute.«
»Oh«, macht sie beleidigt. »Der Tag, an dem wir uns das erste Mal küssen, ist also besonders ätzend.«
»Nein, Quatsch«, rufe ich und muss mich zusammenreißen, ihr die Bemerkung nicht übel zu nehmen. »Das war natürlich klasse. Es gibt nur wieder Stress. Ich erreiche Sarah nicht am Telefon.«
Ricarda muss sich wohl genauso zusammenreißen, freundlich zu bleiben. »Kannst du die denn nicht mal eine einzige Minute vergessen? Du hast dich entschieden, mit uns zu feiern. Du hast selbst gesagt, dass sie dir die Fahrt gönnt.« Ricarda schlingt die Arme um meinen Hals. »Und jetzt bist du hier, hast dich extra gegen deine Eltern durchgesetzt. Du bist frei. Nutz das auch!«
»Ja«, sage ich erschöpft, »ich versuch's.« Dann drücke ich ihr einen kurzen Kuss auf den Mund und schiele neidisch zu Eric und Nathalie hinüber, die sich kabbeln. Wie locker die sind. Wie frei von Problemen. Keiner quatscht die doof an. Keiner macht ihnen Angst. Und ein schlechtes Gewissen plagt sie schon gar nicht.
»Florian, hier, du siehst aus, als könntest du was vertragen.« Nils reicht mir seine Flasche Bier.
»O ja. Das ist genau das, was ich brauche.« Ich löse mich von Ricarda und trinke.
Im nächsten Moment bekommt sie eine eigene Flasche von Ferhad angeboten. »Damit du nicht leer ausgehst.«
»Danke -- wie schön, dass jemand an mich denkt.«
»Wenn dein Freund dich schon nicht versorgt . . .«
Sein Grinsen gefällt mir nicht. Es fehlt nur noch, dass er ihr sagt, wie gut sie aussieht. Und das tut sie wirklich. Während Anna mich getriezt hat, hat sie sich geschminkt, umgezogen, die Haare hochgesteckt. Ich müsste mich anstrengen, aufmerksam sein, lustig. Aber ich kann mich kaum auf Ricarda konzentrieren. Die bescheuerte Anna mit ihrer Panikmache und mit ihrem Gerede vom Todesengel hat erreicht, was sie wollte. Dabei stimmt wahrscheinlich nur die Hälfte. Anna schwindelt doch, dass sich die Balken biegen. Aber was, wenn sie diesmal doch die Wahrheit gesagt hat?
»Du hast echt schöne Haare, Ricarda.«
Ferhad geht mir auch gehörig auf den Senkel. »Ey, wolltest du nicht eigentlich beim Mixed-Spiel mitmachen?«
Er wehrt rigoros ab. »Nee, das bringt doch eh nichts und dafür hat sich auch kaum einer angemeldet.«
»Können wir dann los?«, fragt Nils und greift nach den drei Plastiktüten, in denen sich der Proviant für den Abend befindet. Eine reicht er Eric, eine Ferhad. Dann sieht er sich suchend um. »Fehlt nur noch Lea. Wo steckt die?«
Ricarda zuckt die Achseln, als ginge sie ihre Freundin nichts an. »Hab ich schon die ganze Zeit nicht gesehen. Die ist auch so miesepetrig heute. Ich sag immer, wenn man eigentlich keine Lust hat, Urlaubzu machen, und mit den Gedanken woanders ist, dann soll man besser zu Hause bleiben.«
Das ist wieder auf mich gemünzt, keine Frage. Ich ärgere mich, versuche aber, es nicht zu zeigen. Schließlich will ich, dass es zwischen mir und Ricarda schnell wieder gut läuft. Ich will mich in einen Rausch trinken, knutschen und alles
Weitere Kostenlose Bücher