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Durst - Roman

Durst - Roman

Titel: Durst - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Limmat-Verlag <Zürich>
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Mal getroffen und wurde nicht schlau aus ihm.»
    Sie sah sich im Raum um. Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte unser Gespräch hier enden dürfen.
    «Was für einen Charakter hatte er, ich meine, du hast ihn doch öfter erlebt.»
    Sie sah demonstrativ an mir vorbei. Dann, mit flüchtigem Blick an mich gewandt: «Wir mögen hier keine Schnüffler.»
    Von da an tat sie beschäftigt und ignorierte mich, bis ich mein Bier ausgetrunken hatte. Ich bezahlte und ging nach Hause.
    Ich war gerade aus dem Bett gestiegen, als das Telefon klingelte.
    «Hello, how are you?»
    Irgendwoher kannte ich diese Stimme …
    «I’m fine.»
    «Don’t you remember me – the magic Rosalia?»
    «Oh yes, now I remember. Nice to hear you.»
    «Thank you.»
    Sie machte eine Pause; ich hörte ihren Atem in der Hörmuschel knistern.
    «I would like to meet you …»
    «Good idea, that would be nice.»
    «Do you have time now? I have a free day.»
    Ich hatte mir eine Zigarette angesteckt und war ans Fenster getreten. Der Himmel hatte sich über Nacht bedeckt. Ich glaubte mich zu erinnern, von ihr geträumt zu haben.
    «Okay. In an hour or so?»
    «At one o clock, okay.»
    «Where?»
    «I will wait for you at the Sonnenplatz, okay?»
    «All right. That’s very well.»
    «I’ll be glad to see you!»
    «Yes. All right. So I do.»
    Ich löschte die Zigarette unter dem Wasserhahn und warf sie in den Abfall. Ich öffnete alle Fenster, die nicht auf die Strasse gingen, und nahm eine Dusche. Danach kochte ich Kaffee, ass zwei Scheiben Brot und ein Joghurt. Dazu las ich einen Artikel aus der gestrigen Tageszeitung. Über Paartherapien. Nicht dass mich das Thema interessiert hätte – es war mir einfach unmöglich, allein zu essen, ohne dabei irgendwas zu lesen.
    Gerade als ich eine Zigarette anrauchte, schlugen die Kirchenglocken ein Uhr. Ich verliess die Wohnung, schloss die Tür und polterte trotz Rauchverbots mit brennender Zigarette das Treppenhaus hinunter. Beinahe wäre ich mit dem Hauswart zusammengestossen. Er rief mir etwas hinterher, und ich machte entschuldigende Gebärden, noch während ich auf dem Trottoir davoneilte.
    Die Neugestaltung des Sonnenplatzes war vor gut einem Jahr abgeschlossen worden. Die baufälligen Häuser aus dem neunzehnten Jahrhundert waren einem offenen Platz, der «Piazza», und einem grossen Gebäude gewichen. Darin waren der Migrosmarkt, Wohnungen, Büros, verschiedene Geschäfte, Cafés und eine Tiefgarage untergebracht. Die geschwungene Glasfront, die vom Parterre bis in die dritte Etage reichte, griff mit ausladender Geste nach der «Piazza». Ein neu angelegter Kreisel entschärfte ein wenig den dichten Verkehr. Über allem aber thronte weitherum sichtbar die eigelbfarbene Kirche von Gerliswil.
    Der Platz, so die Absicht der Planer, sollte sich zum eigentlichen Treffpunkt der Stadt entwickeln. Bisher kamen dem vor allem die alten bosnischen Männer nach, die auf den Bänken am Rand des Platzes sassen, schwatzten oder schwiegen und sich in der hohen Kunst des Schauens übten. Ansonsten eiliges Kommen und Gehen.
    Ich kniff die Augen zusammen und sah mich um. Keine der hier anwesenden Gestalten liess sich mit Rosalia in Übereinstimmung bringen, so wie ich sie in Erinnerung hatte. Ich begann mir gerade Vorwürfe zu machen, weil ich es nie schaffte, pünktlich zu sein, als mein Name gerufen wurde. Am Fuss der Treppe, die zur Kirche führte, hatte jemand die Hand erhoben und winkte.
    Ich hielt darauf zu. Bei der jungen Frau, die mich mit Küsschen links – rechts begrüsste, musste es sich zweifelsohne um Rosalia handeln.
    Ich trat einen Schritt zurück. Es gelang mir nicht gleich, in ihr die elegante Dame im Abendkleid und das aufreizende Heidi aus der Show zu erkennen: Turnschuhe, Jeans, rotes T -Shirt, ein ledernes Handtäschchen, das Haar zum schlichten Pferdeschwanz gebunden. Geschminkt war sie nicht oder nur so weit, dass ich es nicht bemerkt hätte.
    Sie liess die Musterung lächelnd über sich ergehen.
    Ob sie mir denn nicht gefalle.
    Natürlich tue sie das, sagte ich.
    «Would you like to walk a little?»
    «Oh yes, you will show me Emmenbrücke!»
    Es war genau das richtige Wetter, um spazieren zu gehen: weiches, indirektes Licht, ein Klima leicht über Raumtemperatur, klare Sicht auf die umliegende Landschaft und die Voralpenkette.
    Ich führte Rosalia vom Kirchenhügel durch den Friedhof in das ansteigende Gelände. Wir gingen auf Seitenstrassen durch die Aussenquartiere und über Feldwege am Rand der

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