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Durst - Roman

Durst - Roman

Titel: Durst - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Limmat-Verlag <Zürich>
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Ortschaft. Wie die meisten Fremden konnte sich Rosalia an der Schönheit der Berge kaum satt sehen.
    Ich lud sie zu einem Imbiss im Restaurant Listrig ein. Rosalia vernaschte einen Coupe Dänemark, während ich eifersüchtig an einem sauren Gespritzten nippte. Schliesslich gelangten wir von der Listrighöhe über einen Waldabstieg zur Hinter-Emmenweid.
    «Now I will show you the heart of the town!»
    Rosalia war von den kühnen Konstruktionen der Industriebauten, den absurden Grössen und Weiten, dem Lärm und dem Schmutz und der zeitlosen Eleganz genauso beeindruckt, wie ich das erhofft hatte. Es spielte in dem Moment auch keine Rolle, ob sie – angesichts meiner jungenhaften Begeisterung – einfach nicht unhöflich sein wollte.
    Wir setzten uns beim Geländer an der Emme ins trockene Gras und schauten einem Güterzug zu, der – an eine Horde unbeaufsichtigter Rockgitarristen gemahnend, die eben das Feedback entdeckt hatten – eine langwierige Kopplung vornahm.
    Rosalia war sogleich einverstanden, als ich vorschlug, bei mir zu Hause was zu Abend zu kochen. Wir kehrten auf den Sonnenplatz zurück und schlossen so den Rundgang ab.
    Bei einem Stand auf der «Piazza» sprach mich jemand an.
    «Möchten Sie auch unterschreiben?»
    Er war einer der Männer, die sich das Haar an den Schläfen wachsen liessen, um es dann in Bahnen über die Glatze zu legen.
    «Wofür denn?»
    Wir waren stehen geblieben.
    «‹Einbürgerung vors Volk›. Damit wir künftig selber bestimmen können, wer Schweizer wird und wer nicht.»
    Ich betrachtete die formvollendete Kugel, die sich über seinem Gurt wölbte. «Von welcher Partei sind Sie?»
    «Schweizer Demokraten. Aber die anderen bürgerlichen Parteien tragen die Initiative mit.»
    «Soso …»
    «Damit endlich mal was geschieht! Sehen Sie, gegen die Asiatinnen haben wir ja nichts, die sind in Ordnung …» Er wies augenzwinkernd auf Rosalia. «Ich hab selber eine zu Hause …»
    Ich atmete tief durch.
    «Aber die Jugos, die Kriminellen, die sich nicht anpassen wollen …»
    «Arschloch.»
    Er begriff nicht gleich und grinste blöd.
    Ich liess ihn stehen. Rosalia folgte mir irritiert. Ich ging durch die grosse Drehtür des Gebäudes und wandte mich nach Rosalia um.
    «Let’s go shopping.»
    Wir hatten noch gar nicht besprochen, was wir kochen wollten. Wir schlenderten an den Regalen entlang und machten Vorschläge. Schliesslich einigten wir uns auf Curry mit Pouletgeschnetzeltem und verschiedenen Früchten. Rosalia übernahm die Initiative beim Zusammentragen der Ware, ich beim Zahlen an der Kasse.
    Zu Hause band ich mir eine Schürze um und begann, die Früchte zu waschen und in Stücke zu schneiden. Nachdem sich Rosalia einen Überblick über mein Kücheninventar verschafft hatte, schickte sie mich hinaus. Ich könne ja inzwischen den Esstisch bereit machen. Dieser war mit Büchern, Notizen, Zeitungen und anderem mehr überstellt. Nachdem ich ihn frei geräumt hatte, ging ich in den Keller zwei der Rotweinflaschen holen, die mir mein Vater in einer kurzen Anwandlung von Stolz vermachte, nachdem Brechbühl meinen ersten Roman veröffentlicht hatte. Wie ich an der Wohnung des Hauswarts vorbeikam, öffnete sich – welch ein Zufall – die Tür.
    «Gut, dass treffe Sie.»
    «Guten Abend.»
    Er zog sich nervös den beigen Pullover zurecht und fixierte die Flaschen in meiner Hand.
    «Ich habe sagen Sie schon tausendmal, dass rauchen im Treppenhaus sein verboten», sagte er an den Wein gewandt und zu mir: «Das schreiben in Hausordnung.»
    Ich setzte eine reuige Miene auf und redete etwas von Stress und unbeabsichtigter Unachtsamkeit daher. Wie immer schämte er sich seiner mangelnden Deutschkenntnisse und kam auf andere Dinge zu sprechen. Ich nickte und sagte zwischendurch «ja?» und «wirklich?» und «ja so was!». Er war inzwischen bei seinem Lieblingsthema angelangt: den undankbaren Ausländern, die die Schweizer nur ausnutzten und sich nicht anpassen wollten. Ich pflichtete ihm bei und sagte, es sei ein Jammer, dass nicht alle Ausländer wären wie er. Das machte ihn glücklich, und er liess mich endlich mit einem «Schene Abend noch» ziehen.
    In der Wohnung roch es gut. Ich blickte durch den Türspalt in die Küche. Rosalia hantierte mit Pfannen, Kellen und Gewürzgläsern. Sie lächelte, als sie mich bemerkte, und meinte, es sei bald so weit. Ich deckte den Tisch und fand in einer Schublade eine Kerze, die ich auf eine leere Bierflasche steckte.
    Nach dem Essen bestand

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