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Durst - Roman

Durst - Roman

Titel: Durst - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Limmat-Verlag <Zürich>
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gefährlich, aber er meinte: «Bitte sehr.»
    Petar betrachtete die Flasche in seiner Hand. «Unsere Auftraggeber bleiben jeweils im Dunkeln – ihre Identität hat uns nicht zu interessieren. Hauptsache, die Kohle stimmt, verstehst du?»
    Er stellte die Flasche ab und sah mir in die Augen. «Die Sache auf dem Fussgängerstreifen tut mir leid, wirklich, Mann. Wir sollten dir nur ein bisschen Angst einjagen – dafür wurden wir bezahlt.»
    «Von wem?»
    «Keine Ahnung … Ein Schweizer. Er hat telefonisch mit mir Kontakt aufgenommen.»
    «Und woher hat er deine Nummer?»
    Petar streckte die Arme und dehnte seine Hände, die er ineinander verkeilt hatte, nach aussen. «Hey Mann, Mund-zu- Mund-Propaganda.»
    «Arbeitet ihr zusammen?»
    Faruk schüttelte energisch den Kopf.
    «Nur am Rand», sagte Petar. «Das ist meine Firma.»
    «Und du?», sprach ich den Hageren an.
    Er erwiderte ausdruckslos meinen Blick.
    «Er spricht kein Deutsch … Mein Angestellter.»
    Der Mann war mindestens doppelt so alt wie Petar.
    «Er ist erst seit wenigen Wochen in der Schweiz – Albaner. Er ist illegal hier.»
    «Was hast eigentlich du für eine Nationalität?»
    «Ich bin Schweizer!», sagte Petar stolz.
    «Und deine Eltern?»
    «Meine Mutter kommt aus Serbien.»
    «Und dein Vater?»
    «Mein Vater war Kroate. Hab ihn nie kennengelernt.»
    «Und das ist also deine Firma …»
    « KMU , sag ich immer. Ich und drei Angestellte, manchmal sinds auch mehr. Offiziell handeln wir mit Gebrauchtwagen, die wir nach Jugoslawien – äh, du weisst schon – verkaufen. Angefangen hat alles vor vier Jahren: Ich hatte die Lehre geschmissen und arbeitete in einer Garage, als mich eines Tages mein Chef bat, einen Einbruch vorzutäuschen. Versicherungsbetrug. Damit fing alles an. Das eine ergab sich aus dem anderen, ich hab immer was zu tun: vorgetäuschte Diebstähle, inszenierte Unfälle, Einschüchterungen, Transport von gefährlicher Ware – was sich die Leute halt so ausdenken. Inzwischen erhalte ich bereits Aufträge von den oberen Zehntausend – immer schön diskret, versteht sich.» Er lachte vergnügt. «Wir sind ein bunter Haufen: ein Süditalo, gleich alt wie ich, ein Bosnier, ebenfalls hier aufgewachsen, und ein Schweizer … Aber eigentlich ist das alles hier nur Kleinkram …» Er winkte lässig ab. «Wir sind an einer wirklich grossen Sache, musst du wissen … Die Operation ist bereits bis ins Detail geplant, wir brauchen nur noch das nötige Kapital. Willst du wissen was?»
    Ich wollte nicht unhöflich sein und nickte.
    «Du musst es aber für dich behalten!»
    «Klar doch.»
    «Wir werden», flüsterte er, «die zehn Millionen Dollar kassieren, welche die USA auf Mladi ć und Karadži ć ausgesetzt haben!»
    Petar sah mich erwartungsvoll an. Als er begriff, dass ihm die Überraschung gelungen war, brach er in Gelächter aus.
    Faruk, der mit verschränkten Armen dagesessen und mürrisch an seiner Unterlippe gekaut hatte, konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen.
    «Ich mach nur einen Witz, Mann. Aber das wärs schon, stell dir vor, wir hätten für den Rest unseres Lebens ausgesorgt. Man würde mich als Helden feiern – zumindest hierzulande.»
    Ich zündete eine Zigarette an.
    «Da habt ihr kein Problem damit – ich meine, diese verfeindeten Ethnien zusammen im selben Team?»
    «Hey easy, Mann. Wir sind doch hier in der Schweiz. Ich bin der Boss, und wenn meine Leute gute Arbeit leisten, ist es mir egal, ob sie aus Bosnien oder Kirgistan oder der Ostschweiz kommen.»
    Er lachte.
    «Und du hast also keine Ahnung, wer der Auftraggeber sein könnte?»
    Petar schüttelte bedauernd den Kopf.
    «Auch keine Vermutung?»
    «Solche Sachen überleg ich nicht, voll nicht. Ich würds dir sagen, wenn ich was wüsste. Das hab ich auch Faruk gesagt.»
    Wir tranken noch ein wenig weiter. Schliesslich glichen wir einer genügsamen Gruppe biertrinkender Männer, die gemeinsam den Feierabend verbringen. Mit der Zeit taute auch der Albaner auf, unterhielt sich mit Faruk und stimmte zuweilen ins Gelächter ein.
    Irgendwann nach Mitternacht verabschiedete ich mich. Faruk wollte mich heimfahren lassen, wovon ich aber nichts wissen wollte.
    Er gab mir seine Handynummer.
    «Ruf mich nicht von zu Hause an, deine Telefongespräche könnten abgehört werden.»
    «Wir sind hier nicht im Kosovo.»
    «Hast du eine Ahnung …»
    Ich machte einen Umweg über die Ober-Emmenweid. Zu Hause war ich beinahe wieder nüchtern. Rosalia schlief bereits, und ich

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