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Durst - Roman

Durst - Roman

Titel: Durst - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Limmat-Verlag <Zürich>
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war. Im Grunde genommen war dieses scheinbare Chaos nämlich nichts anderes als der sichtbare Ausdruck einer Reihe weitausholender, verschlungener Gedankenstränge, die ineinander verheddert waren mit willkürlichen Knoten, welche ich zuerst lösen musste, um Erstere dann an den richtigen Stellen miteinander verknüpfen zu können.
    Ich hatte mir für den Fall Slavkovi ć eigens ein schwarzes, kunstledergebundenes Schreibheft besorgt, um der drohenden Zettelschwemme rechtzeitig vorzubeugen. Sobald sich wieder eine Handvoll solcher behelfsmässiger Gedankenträger angesammelt hatte, übertrug ich ihren Inhalt auf die blau linierten Seiten des Heftes. Nun war das nicht wirklich viel übersichtlicher, aber immerhin war alles zwischen zwei halbharten Deckeln versammelt und konnte nicht so leicht verloren gehen.
    Nachdem ich die aktuellen Aufzeichnungen eingetragen und datiert hatte, schloss ich das Heft und legte es beiseite. Ich sah auf und wanderte mit dem Blick über Rosalias Rückenlinie, die sich, einen deutlichen Viertelkreis beschreibend, über ihr Gesäss schwang und dem angewinkelten linken Unterschenkel folgend einen ornamentalen Abschluss fand. Dann schlug ich im Telefonbuch die Nummer der Kantonspolizei nach. Ich prägte sie mir ein und stand auf.
    Ich ginge einkaufen, ob sie etwas brauche.
    Rosalia verneinte und sagte, sie habe bereits am Morgen alles Nötige besorgt.
    Seit sie eingezogen war, stand jederzeit ein ausgewogenes Angebot an Lebensmitteln zur Verfügung. Sie wollte das als ihren bescheidenen Beitrag an die Mietkosten verstanden haben.
    Ich achtete mich beim Verlassen des Hauses, ob mir jemand aufgelauert hatte. Die parkierten Autos waren leer, und der einzige Passant – ein Jugendlicher, der sein Moped zum Mechaniker schob –, machte einen harmlosen Eindruck. Ich querte die Fahrbahn und ging die Gerliswilstrasse hinauf.
    Am Sonnenplatz betrat ich eine Telefonkabine, warf Münz in den Schlitz und stellte die Nummer ein. Nach sechsmaligem Tuten meldete sich eine Frau Estermann. Ich nannte einen Namen, den ich mir gerade ausdachte, und bat sie, mich mit Herrn Furrer zu verbinden.
    «Um was gehts denn?»
    «Ich hab da einige Informationen, die Herrn Furrer interessieren dürften.»
    «Würden Sie sich bitte etwas präziser ausdrücken! Wenn es sich um einen Notfall handelt, muss ich Sie mit Herrn Häfliger verbinden.»
    Ich hatte keine Ahnung, wie mit einer Sekretärin in Polizeiuniform umzugehen war.
    «Es ist streng vertraulich, verstehen Sie?»
    Ihr Ton wurde noch etwas spitzer: «Ich unterstehe dem Amtsgeheimnis wie jeder in diesem Gebäude! Wenn Sie etwas mitzuteilen haben, können Sie das auch mir sagen!»
    Ich hatte inzwischen eine Zigarette hervorgeklaubt und rief sie mit meinem Feuerzeug in ihr kurzes Leben.
    «Wenn Sies genau wissen wollen: Es geht um den Mord an Herrn Slavkovi ć .»
    Sie reagierte nicht.
    «Emmenbrücke, wenn Ihnen das weiterhilft. Ich hab Herrn Furrer in diesem Zusammenhang einen wichtigen Hinweis zu geben.»
    Sie hatte keine Ahnung, wovon ich sprach.
    «Wie hiess nun eben Ihr Mann, Sadovi ć ?»
    «Slavkovi ć , Zoran Slavkovi ć .»
    «Und wann wurde er ermordet?»
    «Vor über drei Wochen, am zweiten Juni.»
    «Können Sie mir den Namen buchstabieren?»
    Ich warf einen Einfränkler nach.
    «Slavkovi ć , S–L–A–V–K–O–V–I–C , hören Sie …»
    «Einen Augenblick, bitte sehr!»
    Welchen Beruf wohl solche Frauen früher ausgeübt hatten?
    «Also hier ist davon nichts zu finden. Sie müssen sich täuschen – der Mann wurde nicht ermordet.»
    «Wie bitte? Sie machen einen Witz? Mit Ihrem Computer ist wohl etwas nicht in Ordnung.»
    «Passen Sie auf, wie Sie mit mir reden!»
    Ich zog verzweifelt am Filter und liess ihn resigniert fallen.
    «Ich wollte Sie nicht beleidigen. Verstehen Sie, da muss jemandem ein Fehler unterlaufen sein. Vielleicht hat man versäumt, die Daten über den Mord ins Informationsnetz zu …»
    Plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Natürlich, Furrer hielt die Sache unter Verschluss.
    «… hören Sie, ausgeschlossen! Was denken Sie, mit wem Sie es zu tun haben?»
    «Tut mir leid, ich muss mich wohl getäuscht haben. Können Sie mich nun mit Herrn Furrer verbinden?»
    «Wegen eines Mordes, der nicht geschehen ist?»
    «Sagen Sie ihm, ich müsse ihn in der Sache Slavkovi ć sprechen.»
    «Wenn Sie einen Mord melden wollen, sind Sie ohnehin bei Herrn Furrer an der falschen Adresse.»
    «Wie bitte?»
    «Sie haben schon

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