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Durst - Roman

Durst - Roman

Titel: Durst - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Limmat-Verlag <Zürich>
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richtig gehört, Herr Furrer ist für die Abteilung Drogenfahndung zuständig. Herr Huber leitet die Mordkomission. Aber ich kann Sie nun nicht mit ihm verbinden. Wenn Sie eine Mitteilung zu machen haben, kommen Sie am besten auf dem Posten vorbei. Dort können wir Ihre Aussagen protokollieren und weiterleiten.»
    «Ach so …»
    «Wenn das dann alles wäre. Ich habe zu tun.»
    «Ja natürlich, haben Sie vielen Dank. Schönen Ta…»
    Sie hatte bereits aufgelegt. Ich wog den Hörer eine Weile in der Hand, bevor ich ihn an die Aufhängevorrichtung hing.
    Ich beschloss, im «Thomy’s» gleich nebenan eine Stange zu trinken. Ich schnappte mir die Tageszeitung und setzte mich an die Theke. Im Hintergrund versuchte Céline Dion gerade, die Welt in eitler, selbstbemitleidender Sentimentalität zerfliessen zu lassen, um sie dann in klebrige Zuckerwatte zu träufeln. Ich fragte mich, warum ich ihr kein Wort von dem glaubte, was sie mit so viel schmachtender Zerbrechlichkeit vortrug. Anderseits schätzte ich mich glücklich, nicht derjenige zu sein, den sie so inbrünstig vermisste.
    Ich machte meine Bestellung und überflog das auf Buchstabengrösse heruntergebrochene Weltgeschehen. Im Kosovo wollte sich die Lage nicht entspannen. us-Vermittler Richard Holbrooke forderte Miloševi ć bei einem Treffen auf, die serbische Spezialeinheit aus der abtrünnigen Provinz abzuziehen. Auch anderswo brodelte es im ethnischen Kochtopf und würde doch nie ein geniessbares Gericht ergeben.
    Ein Lesebriefschreiber aus Dopplischwand legte sich mit patriotischem Eifer für die Schweizer Grossbanken ins Zeug, die sich der nachrichtenlosen Vermögen wegen, die seit Hitlers Tagen auf ihren Konti lagerten, mit einer jüdischen Sammelklage konfrontiert sahen.
    Ich legte das Blatt zur Seite und tauchte meine Oberlippe in die Schaumkrone der Stange, die mir der freundliche Kellner hingestellt hatte.
    «Zum Wohl!»
    «Merci.»
    «Bist zum ersten Mal hier?»
    «Nicht ganz … Und du, arbeitest schon lange hier?»
    «Seit vier Monaten.»
    «Dann hast du ja schon einiges erlebt …» Ich spielte auf die Razzien an, die in letzter Zeit stattgefunden hatten.
    Er schmunzelte, setzte aber besorgt hinzu: «Wir können nicht wirklich viel dagegen tun. Ausser die Polizei benachrichtigen – aber die kommt meistens zu spät.»
    Ich erkundigte mich nach seinem Namen und gab im Gegenzug den meinen preis. Ich fragte Markus, welche Mannschaften heute gegeneinander spielten.
    «Kolumbien gegen England, wenns mir recht ist.» Er beeilte sich, bei einem Blatt Papier, das wie ein Fahrplan an die Wand gepinnt war, Bestätigung zu holen.
    «Kolumbien gegen England, um einundzwanzig Uhr.»
    Das versprach gute Unterhaltung. Ich beschloss, zu bleiben und auf Faruk zu warten. Ich bekleckerte mich mit einem übel schmeckenden Hamburger und steckte mir fritierte Kartoffelstifte in den Mund, schickte das eine oder andere Bier hinterher und schaute zu, wie sich das Lokal nach und nach füllte, Markus Verstärkung erhielt, und ein weiss-schwarz kariertes Stück Leder Mittelpunkt einer schönen, überschaubaren Welt wurde.

Da Faruk zur Halbzeit noch nicht erschienen war, suchte ich eine der Telefonkabinen vor dem Lokal auf. Ich prägte dem Tastenfeld die Nummer ein und wartete eine Anzahl Klingeltöne ab. Ich legte auf und wiederholte das Ritual. Dann steckte ich Geld und Telefonnummer ins Portemonnaie und ging zurück. Gerade als die Glasflügel der elektrischen Schiebetür auseinanderfuhren, machte sich das Gerät mit scherbelndem Laut vernehmbar. Ich kehrte um und murmelte ein «Hallo?» in die Sprechmuschel.
    «Kush është?»
    «Faruk? Hör mal, ich versuch dich seit Stunden zu erreichen – du solltest doch im ‹Thomy’s› bei der Arbeit sein!»
    «Witzbold.»
    «Im Ernst – kommst du heute nicht mehr vorbei?»
    «Worum gehts denn?»
    «Ich hab Neuigkeiten … Zudem brauch ich ein paar Auskünfte von dir.»
    Ich behielt durch die Glasscheibe der Kabine und die des Lokals den Bildschirm im Auge: das kantige Gesicht des Moderators und sein Grinsen, das ebenso gut Ausdruck überraschend eintreffenden Schmerzes hätte sein können – Schnitt – eine Horde von verwahrlosten Fussballfans – Schnitt – die Spieler beider Teams, die der Tunnel zum Kabineneingang nach und nach ausspuckte.
    «Ich muss nun Schluss machen. Kommst du vorbei, ich bin sicher noch eine Stunde hier.»
    «Ist zu gefährlich. Können wir uns nicht woanders treffen?»
    Ich beobachtete, wie sich ein

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