Durst - Roman
Eingang her. Wir folgten ihm mit den Augen, bis er verschwunden war. Dann nahm ich das Gespräch wieder auf.
«Wenn ich nur wüsste, wer bei Slavkovi ć Geld angelegt hat … Ich bin überzeugt, das würde uns einen grossen Schritt weiterbringen. Wie du gesagt hast: Hätte Slavkovi ć unter Androhung einer hohen Gefängnisstrafe zu sprechen begonnen, wären all jene Leute, die bei ihm Geld angelegt oder Kredit aufgenommen haben, ebenfalls ins Visier der Justiz geraten. Diese Leute haben also ein vitales Interesse daran, dass Slavkovi ć zum Verstummen gebracht wird …»
Ich vergegenwärtigte mir, was Faruk in der Zentrale erzählt hatte: dass er jeweils sein Drogengeld bei Slavkovi ć abgab, damit es von da aus auf sein Konto bei der Kantonalbank überwiesen wurde. Formell wurde dieser Betrag als Lohnauszahlung der Firma «Srpska-Travelling» für geleistete Carfahrten abgerechnet. Damit war das Geld seines schmutzigen Ursprungs enthoben. Faruks Darstellung zufolge waren es verhältnismässig kleine Beträge: an die sechstausend Franken monatlich. Einen Teil davon liess er ebenfalls über Slavkovi ć s Reisebüro seinen Verwandten zukommen.
«Du kannst mir doch bestimmt ein paar Hinweise geben.»
«Wie stellst du dir das vor? Das ging alles äusserst diskret vor sich. Ich war nur ein einziges Mal in seinem Büro. Sonst gab ich das Geld seinem Mitarbeiter, jedesmal an einem anderen Ort. Manchmal schickte ich es auch per Post.»
«Hiess der Typ Dragan Marti ć ?»
«Möglich, er hat sich mir als Drag vorgestellt …»
«Mhm. Sag mal, woher beziehst du eigentlich deine Ware?»
Faruk lachte spöttisch.
«Im Ernst, das könnte mir weiterhelfen.»
«Das hat doch nichts miteinander zu tun …»
«Warum bist du dir da so sicher?»
Faruk schwieg.
Ich wurde nun doch ein wenig nervös. «Nennst du das Zusammenarbeit? Ich unterziehe mich hier nicht zum Spass einem Nikotinentzug! Wer – beliefert dich – mit dem Stoff?»
Faruk seufzte: «Ein entfernter Verwandter; aber du liegst falsch, wenn du denkst …»
«Dieser Cousin ist nicht zufällig ein Geschäftspartner von Slavkovi ć ?»
Nun wurde er heftig: «Fick dich – er operiert im Raum Zürich. Dass er mich beliefert, ist eine Ausnahme. Der zentralschweizerische Markt wird von anderen kontrolliert.»
«Von wem, bitte sehr?»
«Hab ich dir schon gesagt: Ich weiss es nicht.»
Ich stand auf und ging einige Stufen hinunter.
«Und die lassen dich einfach gewähren – in ihrem Revier?»
Ich drehte mich um.
«Ich stell für die kein Problem dar. Viele Kleindealer arbeiten auf eigene Rechnung. Die haben keine Ahnung, wo die Fäden zusammenlaufen. Das sind entweder Süchtige oder dann Ausländer – Illegale und solche mit abgelehnten Asylgesuchen. Wenn jemand den Bullen in die Hände fällt, erfahren die über die Bezugskanäle so gut wie nichts.»
Faruk breitete die Hände aus wie ein Zelebrant bei der Eucharistiefeier: «Tut mir leid, aber ich weiss wirklich nicht mehr.»
Ich dachte nach. «Womöglich hat Furrer in seiner Funktion als Drogenfahnder seine Finger im Spiel. Stell dir vor, er wüsste über die Hauptkanäle Bescheid und würde nur punktuell dagegen vorgehen – indem er beispielsweise die Kleindealer beeinträchtigt. Er deckt sozusagen die Grossverteiler gegen Bezahlung. Klingt vielleicht etwas gewagt, ich weiss, aber sein Vorgehen gibt zu allen möglichen Spekulationen Anlass …»
Ich roch an meinem Zeigefinger, in dessen Haut Spuren von Nikotin eingebrannt waren. «Man müsste mehr über ihn in Erfahrung bringen. Seine Vermögensverhältnisse, seine Lebensweise – vielleicht würde uns das weiterhelfen …»
Ich folgte mit den Augen einer Sternschnuppe, die sich für einen kurzen Moment gegen alle künstlichen Lichtquellen durchzusetzen vermochte.
«Am einfachsten wäre es, ihn einfach danach zu fragen …»
Faruk war aufgestanden und kam zu mir herunter.
«Wie bitte, ihn befragen?»
«Ein Fall für Petar und seine Jungs. Die müssen ihm nur ein bisschen Angst einjagen, dann beginnt der von allein zu plaudern.»
Ich presste die Lippen zusammen.
«Ich verabscheue Gewalt!»
Faruk betrachtete mich mit einem nachsichtigen Blick: «So kommst du niemals weiter. Glaub mir, es gibt verschiedene Arten von Gewalt: Es gibt die sinnlose, blindwütige Gewalt um der Gewalt willen; es gibt jene, die zum Zweck der Bereicherung oder der Machtsicherung ausgeübt wird; und zu guter Letzt noch die, die gezielt und massvoll angewandt die ersten
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