Durst - Roman
Neugierde: Warum ausgerechnet interessieren Sie sich für diesen toten Jugoslawen? Ich meine, es gibt doch bestimmt Aufregenderes als Abrechnungen zwischen verfeindeten Ethnien, nicht wahr?»
Ich versuchte das Gespräch wieder an mich zu reissen: «Wir interessieren uns eigentlich weniger für die Person Slavkovi ć als für seine geschäftlichen Beziehungen. Wir wissen, dass Sie gegen sein Reisegeschäft wegen Geldwäscherei ermitteln …»
Er mass mich mit misstrauischem Blick.
«Uns liegen Unterlagen vor, woraus wir entnehmen, dass Herr Slavkovi ć im grossen Stil Geld gewaschen hat. Zudem werden ihm gute Beziehungen im örtlichen Gewerbe nachgesagt.»
«Was für Unterlagen – bitte sehr – liegen Ihnen vor?» Das Lächeln, das er dazu bemühte, vermochte vom scharfen Ton nicht abzulenken.
Dafür gelang mir umso leichter eines: «Alles streng vertraulich, Sie verstehen …»
Der Kellner stellte dem Staatsanwalt den Espresso hin.
Eicher gab Zucker hinzu und rührte eine Weile, ohne aufzusehen.
«Uns ist natürlich bewusst, dass Sies nicht gerne sehen, wenn sich Journalisten in laufende Ermittlungen einmischen …»
Ich rauchte eine neue Zigarette an und gab ihm damit Gelegenheit, vorsichtig an seinem Espresso zu nippen.
«Aber das ist gar nicht unsere Absicht. Wir haben genügend Informationen, um die Geschichte zu rekonstruieren.» Ich blies den Rauch durch die Nase. «Wir haben den dringenden Verdacht, dass Slavkovi ć auf Anordnung seiner Geschäftspartner ermordet wurde – weil diese befürchtet hatten, er könnte vor Gericht gegen sie aussagen. Um diese These zu untermauern, brauchen wir Einsicht in die Akten …»
Alles Freundliche war von dem dicklichen Mann gewichen.
«Wir möchten Ihnen ein Angebot machen.»
Er gab ein spöttisches Zischen von sich.
Ich liess mich nicht irritieren. «Unser Vorschlag: Sie geben uns Einsicht in die beschlagnahmte Buchhaltung, und wir versprechen, mit der Veröffentlichung der Story so lange zuzuwarten, bis Sie die Ermittlungen abgeschlossen haben.»
«Sie sind wohl nicht recht bei Trost?! Was Sie da vorschlagen, ist nichts anderes als eine Erpressung!»
Ich bewegte den Kopf langsam hin und her: «Nicht doch – Erpressung … Es handelt sich hier um ein Tauschgeschäft: Einsicht in die Akten gegen unser Stillschweigen plus Informationen, die Ihnen bei den Ermittlungen von Nutzen sein können.»
«Wissen Sie – ich könnte Sie wegen Behinderung der Justiz anzeigen.» Er stellte das Tässchen wieder hin. «Aber dazu hab ich gar keine Veranlassung. Tut mir leid, Ihre Luftblase platzen zu lassen: Sie kommen leider zu spät.»
«Zu spät?», entfuhr es Anita.
Er wandte sich wieder ihr zu, seine Miene hellte sich augenblicklich auf.
«So ist es, Frau Felder. Die Ermittlungen sind bereits vor zwei Wochen eingestellt worden – wegen mangelnden Beweisen. Der Mörder sitzt in Untersuchungshaft und ist geständig. Eine Beziehung, wie Sie sie vermuten, ist völlig ausgeschlossen.»
«Aber die Ermittlungen wegen Verdacht auf Geldwäscherei – wieso wurden sie eingestellt?»
Anita machte ihre Sache gut.
«Mangels Beweisen, wie ich schon sagte. Sie müssen nämlich wissen, dass Herr Sadkovitz sämtliche Unterlagen rechtzeitig vernichtet hat – fast so, als hätte er von der bevorstehenden Beschlagnahmung gewusst.»
«Hat Ihnen der Buchprüfer denn keine Unterlagen zugestellt?»
«In der Tat hat er, weswegen wir ja auch die Ermittlungen aufgenommen hatten. Aber sie taugen nicht als Beweismaterial.»
«Sie haben also nichts bei Slavkovi ć gefunden, keine Ordner, keine Belege für gemachte Ein- und Auszahlungen, keine Lohnabrechnungen, nichts?»
Man sah es dem Kerl an, wie er die Gegenwart einer schönen Frau genoss. «Nichts, Frau Felder, nichts. Er war wahrscheinlich so naiv zu denken, er könnte sich damit der Anklage entziehen. Aber die Vernichtung der Buchhaltung ist strafbar – in diesem Fall handelt es sich um einen Verstoss gegen das Obligationenrecht. Doch nach seinem Tod können wir ihn deswegen naturgemäss nicht mehr belangen; und sein Mitarbeiter konnte glaubwürdig belegen, dass er keinerlei Einsicht in die Geschäftsführung gehabt hat. Somit wurde der Fall zu den Akten gelegt.»
Anita wollte ihre Entäuschung nicht verbergen: «Aber sein Geld, die immensen Summen aus dem Drogenhandel?!»
«Alles gegenstandslose Unterstellungen, so lange nichts bewiesen ist. Seine Konten, die uns bekannten, wurden bis auf Weiteres eingefroren.»
Ein
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