Durst - Roman
Sorge sein! Falls du das schon wieder vergessen hast: Ich werde das Gespräch führen. Wenns dir nicht passt, kannst du gleich gehen.»
Anita verzog ihr hübsches Gesicht zu einer säuerlichen Grimasse. «Du bist sowas von ungeniessbar! Kein Wunder, hast du keine Freundin.»
Ich wartete einen Augenblick, bevor ich sagte: «Ich hab dich nicht gebeten, bei diesem Treffen dabei zu sein – erinnerst du dich?»
Anita schwieg. Aber diese äussere Ruhe täuschte nicht darüber hinweg, dass sie innerlich kochte.
Der Kellner kam aus dem Restaurant und stellte das Gewünschte auf den Tisch.
Nachdem ich meinem Kaffee Zucker und Rahm beigegeben hatte, warf ich einen Blick auf das Klarsichtmäppchen, das Anita vor sich auf dem Tisch liegen hatte.
«Und, hast du schon was über Slavkovi ć s Investmentgesellschaft herausfinden können?»
Keine Antwort.
«Darf ich mal schauen?»
Ihre linke Hand schnellte hervor und sicherte das Mäppchen. Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen, versuchte es aber hinter meiner Tasse zu verbergen.
Nach einer Weile löste sich Anita aus ihrer starren Haltung und nahm sich eine Zigarette aus meiner Schachtel. Ich gab ihr Feuer.
«Also», sie stiess den Rauch aus wie einen tödlichen Fluch, «diese Dobrex Holding ist nach Ansicht einiger Branchenkenner tatsächlich eine reine Briefkastenfirma. Nach schweizerischem Recht ist das an sich nicht verboten. Verdächtig hingegen bleibt das zeitliche Zusammenfallen der Bekanntgabe des neuen Geldwäschereigesetzes mit dem Rücktritt des Verwaltungsrates. Der besteht übrigens aus einer einzigen Person: Thomas Ackermann. Er ist Anlageberater bei der Privatbank Leuthold & CIE , von der die UBS die Aktienmehrheit hält.»
Sie klopfte energisch nicht vorhandene Asche in den Aschenbecher.
«Aber jetzt kommt das Sensationelle! Bei meinen Recherchen bin ich auf etwas gestossen, was nicht nur auf den ersten Blick von Interesse scheint: Thomas Ackermann ist mit einer gewissen Désirée Ackermann verheiratet – ihr lediger Name lautet: Désirée Furrer …»
Ich hätte beinahe die Tasse fallen gelassen.
«Furrer? Sag nicht …»
«Dochdoch, so wie du denkst: Désirée Ackermann ist die Tochter von Ruedi Furrer, unserem wohlbekannten Drogenfahnder und Ermittler im Mordfall Slavkovi ć .»
«Das ist ja … unglaublich!»
«Genau, denn damit haben wir ein unschätzbar wichtiges Indiz gegen ihn in der Hand: sein persönliches Motiv, den Mord an Slavkovi ć zu vertuschen.»
Ich versuchte, Anita ein Lächeln zu entlocken: «Das hast du prima gemacht, ich bin richtig stolz auf dich!»
Sie stiess meine zur Gratulation ausgestreckte Hand von sich. «Hör auf damit, oder ich hau dir eine!»
Plötzlich begann sie dennoch zu lächeln: Ein Brillenträger um die Fünfzig in schwarzen Jeans und schwarzem T -Shirt nährte sich unserem Tisch. Um die Schultern hatte er sich einen schwarzen Pullover gelegt; er trug eine Mappe, die die Farbe nasser Erde hatte. Sein angegrautes Haar auf dem runden Kopf wirkte, wo noch vorhanden, stachlig wie bei einem Dreitagebart.
Wir standen zur Begrüssung auf.
«Sie müssen Frau Felder sein …»
Er drückte Anitas ausgestreckte Hand.
«Und Sie sind demnach Herr …»
Ich nannte ihm meinen Namen.
«Genau, tut mir leid, die einfachsten Namen sind meistens am schwierigsten zu behalten.»
Er stellte die Mappe auf einen Stuhl und setzte sich Anita gegenüber. Der Kellner kam an den Tisch und nahm Staatsanwalt Eichers Wunsch entgegen.
«Angenehmes Wetter, um draussen zu sein: nicht zu heiss, aber auch nicht zu kühl – genau richtig.»
Die dicken Brillengläser reflektierten das Sonnenlicht. Er trug ein schwarzes Horngestell, wie es bei Leuten, die sich für wichtige Persönlichkeiten hielten, zur Zeit wieder Mode war.
«Also, Sie interessieren sich für den Fall dieses Jugoslawen …»
Anita wollte gerade den Mund öffnen, als ich ihr mit dem linken Fuss einen leichten Tritt versetzte.
«Sein Name ist Slavkovi ć , Zoran Slavkovi ć .»
Obwohl ich gesprochen hatte, schaute er interessiert in Anitas Richtung. «Genau, Sladkovi ć …»
Er wühlte in seiner Mappe und zog ein Formular hervor.
«Hier steht Zoran …?»
«Das Z wird wie ein S ausgesprochen …»
«Aha, gut.» Er hob den Blick und wandte ihn wieder Anita zu. «Sie arbeiten also beide fürs ‹Journal›? – Gutes Blatt!»
Anita lächelte freundlich: «Hören wir gern.»
Sein Blick ruhte weiterhin auf ihr, während er sagte: «Entschuldigen Sie meine
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