Durst - Roman
Sie wurde durch den schmalen Schrank in der Zentrale betreten und bestand aus einem Wohn- und Küchenraum, Petars Schlaf- und einem kleinen Gästezimmer. In einem weiteren winzigen Raum waren eine Toilette und eine Duschkabine installiert. Alles machte einen ordentlichen, sauberen Eindruck, wenngleich nicht zu übersehen war, dass die ursprüngliche Bausubstanz nicht zum Wohnen gedacht war. Das einzige Fenster über der Küchenablage war nachträglich aus der Kalksandsteinwand herausgeschlagen worden; auf dem unebenen Gussbetonboden lagen abgewetzte Teppiche, und für kältere Tage standen mobile elektrische Heizkörper bereit.
«Anita kann im Gästezimmer schlafen …»
Er grinste in meine Richtung. «Da ihr also kein Paar seid, schlage ich vor, dass du auf dem Sofa pennst.»
«Und Faruk?»
«Der macht es sich jeweils in der Zentrale bequem.»
Ich trug Anitas Gepäck ins Gästezimmer.
«Kann ich mal kurz telefonieren?»
Petar griff in seine linke Hosentasche. «Aber wirklich nur kurz, Mann, ich hab fast kein Guthaben mehr.»
Ich ging, um ungestört zu telefonieren, durch die doppelte Tür in den vorderen Raum.
Als ich wieder zurückkam, sassen Anita und Petar auf dem Sofa und unterhielten sich.
«Säufst du auch einen Kaffee mit uns?», fragte Petar.
Ich gab ihm das Mobiltelefon zurück. «Danke. Nein, ich muss noch was erledigen.»
Anita sah mich erstaunt an. «Ich dachte, wir müssten untertauchen?!»
«Ist hier ganz in der Nähe …»
«Bist du zum Nachtessen wieder da? – Petar und ich haben vor, was Gutes zu kochen.»
«Mal schauen. Bis um acht sollte ich zurück sein.»
Ich trat auf die Strasse und kam an der alten Direktorenvilla vorbei, zu der eine Brücke über den Kanal führte. Gegen Norden, wo das Gelände anstieg, beschrieb der Wald einen Bogen und umsäumte zusammen mit der Geraden des Wassergrabens das Gründstück in einem nahezu perfekten Halbkreis. Ich ging weiter den Kanal hinauf, setzte über eine Brücke ans andere Ufer und bestieg das steile Waldgelände. Niemand begegnete mir.
Ich sah mich um und legte die kurze Strecke ausserhalb des Waldes mit schnellen Schritten zurück. Während ich den Klingelknopf drückte, vergewisserte ich mich, dass mich niemand beobachtete. Nach einer Weile klingelte ich ein zweites Mal.
Frau Slavkovi ć trug einen hellblauen Bademantel, den sie der fehlenden Kordel wegen unterhalb der Brust mit der rechten Faust zusammenhielt.
«Sie?»
«Ich komme wohl ungelegen …»
Ihrem Lächeln haftete was Anrüchiges an.
«Kein Problem. Ich war gerade in der Badewanne.»
«Entschuldigen Sie …»
«Macht nichts, kommen Sie nur herein.»
Sie führte mich ins Wohnzimmer.
«Setzen Sie sich. Ich geh mir nur schnell was anziehen.»
Ich liess mich in einem frei stehenden Sessel nieder. Gleich beim Betreten des Wohnzimmers hatte ich eine Veränderung bemerkt, ohne sagen zu können, worin sie bestand. Nun verriet es mir das helle Rechteck über dem Sofa, das sich durch sein strahlendes Weiss von der übrigen Wand abhob: Das Hochzeitsbild war abgehängt worden.
Ich hörte, wie Frau Slavkovi ć in der oberen Etage eine Tür öffnete und sie kurz danach wieder schloss. Mir war, als hätte ich eine zweite Stimme vernommen – eine Frauenstimme.
«Ich habe schon eine Ewigkeit nichts mehr von Ihnen gehört …», sagte sie, nachdem sie mir eine Tasse Kaffee hingestellt und sich aufs Sofa gesetzt hatte.
«Das stimmt.» Ich rührte Milch und Zucker in die wässrigschwarze Flüssigkeit. «Aber ich bin in der Zwischenzeit nicht untätig gewesen.»
Sie lächelte freundlich.
Ich konnte mich nicht erinnern, sie je zuvor so entspannt gesehen zu haben.
«Daran hatte ich keine Zweifel … Erzählen Sie, was führt Sie zu mir?»
Ich zog die Zigarettenschachtel aus meiner Brusttasche und legte sie auf den Tisch.
«Ach so, der Aschenbecher …»
Sie erhob sich mit erstaunlicher Elastizität und verschwand in der Küche. Jede Spur von Phlegma war von ihr abgefallen.
«Danke.» Ich stiess den Rauch aus. «Es sind in der Zwischenzeit einige Fragen aufgetaucht …»
«Nur zu …»
«Können Sie sich erinnern, wer damals die richterliche Erlaubnis zur Hausdurchsuchung unterschrieben hat?»
«Hausdurchsuchung? Ich weiss gar nicht, wovon Sie sprechen …»
«Hab ich mir doch gedacht.» Ich klopfte die Asche in das saubere Messingschälchen. «Sie können also bezeugen, dass weder vor noch nach dem Tod ihres Mannes eine Hausdurchsuchung stattgefunden hatte?»
«Nichts,
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