Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Durst - Roman

Durst - Roman

Titel: Durst - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Limmat-Verlag <Zürich>
Vom Netzwerk:
prüfend an und ging dann zum Kühlschrank. Wenig später sass er in seinem Sessel und prostete mir zu.
    «Was machst denn du hier?»
    «Musste untertauchen …»
    «Ja?»
    «Ich hab allen Grund anzunehmen, dass die Mörder Slavkovi ć s bestens über den Stand meiner Ermittlungen informiert sind …»
    Faruk trank.
    «Was hast du da?»
    «Du wirst es nicht glauben!»
    Er zog seine breiten Schultern hoch.
    «Slavkovi ć s Buchhaltung!»
    Er schien nicht zu begreifen.
    «Diese Unterlagen können mir womöglich den entscheidenden Hinweis geben!» Etwas gedämpfter fügte ich hinzu: «Bis jetzt aber hab ich noch nichts gefunden. Hier vielleicht …» Ich warf ihm die Agenda zu. «Kannst du das lesen?»
    Faruk liess das schwarze Büchlein zwischen seinen Händen verschwinden.
    «Kyrillisch …? Selbstverständlich.»
    Ich hielt ihm meinen Kugelschreiber hin. «Bitte übersetz das für mich.»
    «Was?! Seine Termine beim Coiffeur?!»
    «Alles. Es könnten sich aufschlussreiche Notizen darunter befinden.»
    Er nahm widerwillig den Kugelschreiber entgegen.
    Ich wandte mich wieder der Buchhaltung zu, legte den Debitorenordner auf den Boden und zog den nächsten am Griffloch aus der Schachtel. Sein Rückenschild war mit «Kassenbuch» beschriftet. Davon gab es insgesamt drei. Ich tat, als ob ich Faruks Murren nicht bemerkte.
    Gleich nach den ersten Seiten erkannte ich, dass der Inhalt dieser Ordner der aufschlussreichste sein würde: Hier waren die Belege der entgegengenommenen Beträge gesammelt, die zum Transfer auf den Balkan bestimmt waren.
    Ich sah mir eine dieser Quittungen, die mit «Beleg für Transaktion» überschrieben waren, sorgfältig an. Unter der Überschrift befand sich eine Nummer, der Firmenstempel und die Angaben zu Ort und Datum. Es folgte ein Feld, das mit «Empfänger» gekennzeichnet war. Darin war von Hand die Adresse einer gewissen Mira Drakuli ć in Pale eingetragen. Dem anschliessenden Feld waren Name und Adresse des Einzahlenden zu entnehmen. Darunter ein zweispaltiger Kasten: eine breite Spalte links mit den Zeilen «Bar» und darunter «+8% Provision» und eine schmale Spalte rechts für den Eintrag der Summen. In diesem Fall ging es um die Beträge achthundert für den Transfer und vierundsechzig für die Provision, «Total»: achthundertvierundsechzig Schweizer Franken. Am unteren Rand des Zettels die Unterschrift des Kunden und die des Anbieters. Die Quittung war mit einem A 4-Blatt zusammengeheftet, worauf die Kopie eines amtlichen Identitätsausweises zu sehen war. In den meisten Fällen handelte es sich um Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligungen.
    Einzeln betrachtet waren die zum Transfer bestimmten Beträge nicht weiter aufsehenerregend. Sie bewegten sich im Bereich von einigen hundert, selten waren es auch etwas über tausend Franken. Aber in einem einzigen Monat kam so gut und gern ein sechsstelliger Betrag zusammen. Es waren durchschnittlich an die zwei-, dreihundert Personen, die Slavkovi ć s Dienstleistung benutzten – immerhin boten die Banken keine Transaktionen in die Gebiete des ehemaligen Jugoslawiens an.
    Auffallend hingegen war die Regelmässigkeit, mit der die einzelnen Kunden Geld überwiesen. Die meisten liessen ihren Verwandten monatlich einen konstant gleich bleibenden Betrag zukommen. Das Privileg, in einem wohlhabenden Land des Westens zu leben, sollte auch den Angehörigen in der Heimat zugute kommen. Viel Geld für die Existenz in der teuren Schweiz würde da nicht übrigbleiben. Das war allenfalls ein Punkt, den ich genauer unter die Lupe nehmen musste.
    «Sag mal, wo warst du zuvor?»
    Faruk blickte von der Agenda auf, in die er gewissenhaft hineinschrieb. «Zuvor? Am Fluss.»
    «An der Emme? Was machst du dort?»
    Faruk schrieb weiter. «Spazieren, nachdenken.»
    «Aber du bist schon vorsichtig, dass dich niemand sieht …»
    Er blickte auf. «Ja qifsha nonon! Soll ich etwa den ganzen Tag in der Bude dieses pubertierenden Kleinkriminellen rumsitzen?!»
    Ich studierte seine Gesichtszüge. Er schien nicht gerade guter Laune zu sein. Aber das war mir egal.
    «Wie lange – glaubst du – dauert es, bis du das übersetzt hast?»
    «Alles?!»
    «Alles. Oder zumindest das, was du für wesentlich hältst.»
    «Einen Tag, vielleicht zwei.»
    «Gut. In Ordnung. Dann weisst du, was du die nächsten Tage zu tun hast.»
    Wenn Blicke töten könnten …
    «Es ist wichtig!»
    In dem Moment war aus dem Nebenzimmer Anitas Lachen zu hören.
    Faruk sah zur Schranktür

Weitere Kostenlose Bücher