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Durst - Roman

Durst - Roman

Titel: Durst - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Limmat-Verlag <Zürich>
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Sonne war bereits im Dunst des Westhorizonts erstickt, als Petar den Wagen auf dem Schotterplatz abstellte.
    Beim Betreten der Zentrale bot sich uns ein überraschender Anblick: Faruk und Anita sassen am Rauchertisch, er über die Agenda gebeugt, sie in der Buchhaltung blätternd. Ihr offenkundiger Eifer heiterte mich sogleich ein wenig auf.
    «Habt ihr schon gegessen?», erkundigte sich Petar gut gelaunt.
    Faruk brummte ein entschiedenes «Nein!», während Anita geflissentlich Petars Blick auswich.
    «Dann lasst uns schleunigst nach draussen gehen und ein Feuer machen!»
    Ich guckte Faruk über die Schulter. Er war mit seiner Übersetzung im letzten Viertel angelangt.
    «Darf ich mal?»
    Er hielt mir die Agenda wortlos hin. Beim Durchblättern stellte ich fest, dass er jede noch so belanglose Notiz ins Deutsche übertragen hatte. Mit einiger Anstrengung konnte ich seine Handschrift entziffern.
    «Sehr gut. Aber Werkstatt schreibt man anders.»
    «Gib her!»
    Ich zeigte ihm die Stelle: «Mit Doppel-T, nicht DT wie bei Stadt.»
    Er schlug murrend den rechten Handrücken gegen meine Brust und riss mir die Agenda aus der Hand.
    «Ich geh schon mal raus, kommt ihr nach?», Petars Stimme klang verzagt.
    Anita tat, als hörte sie ihn nicht.
    «Jaja, wir kommen gleich!», sagten Faruk und ich fast gleichzeitig.
    Kaum hatte Petar das Zimmer verlassen, blickte Anita vom Ordner auf. «Ich hab etwas Wichtiges entdeckt! Ich weiss nicht, ob es dir auch aufgefallen ist.»
    Ihr Verhalten ärgerte mich, auch wenn es durchaus denkbar gewesen wäre, dass ich darüber Genugtuung empfunden hätte.
    «So? Du kannst mir ja davon erzählen, während wir Petar helfen, ein Feuer zu machen …»
    Ich öffnete den Kühlschrank und griff mir zwei Flaschen Bier.
    «Du musst dir das unbedingt anschauen!», insistierte Anita.
    «Nimm doch den Ordner mit nach draussen … Es ist jetzt der angenehmste Zeitpunkt, um im Freien zu sein.»
    Faruk hatte die Agenda auf den Tisch geknallt und dehnte die Arme.
    «Ist dieses Bier für Petar? – Ich gönn mir auch eins.» Er stand auf ging zum Kühlschrank.
    Das Gelände, auf dem das Gewerbegebäude stand, hatte den Grundriss eines langgezogenen Rechtecks, das sich von der Strasse bis zum Fuss des Schlackenhügels erstreckte. Es war zu drei Seiten mit Maschendraht eingezäunt und mit grobem Schotter bedeckt, der dem wuchernden Unkraut längst keinen Einhalt mehr gebot. Das Gebäude selbst stand ziemlich genau in der Mitte des Grundstücks.
    Ich traf Petar bei der Feuerstelle an der Rückfront. Er hatte bereits ein fachgerechtes Gerüst aus Ästen aufgerichtet. Ich löste die Kronenkorken von den Flaschen und reichte ihm eine.
    Nachdem wir einander zugeprostet hatten, bedankte ich mich für seine Hilfe. «Für einen Gangster bist du ziemlich in Ordnung!»
    Petar bemühte sich zu lächeln.
    «Gibst du mir schnell dein Feuerzeug?»
    Er kniete sich hin und steckte die Zweige im Innern des Gerüsts behutsam in Brand. Wie er da von allen Seiten sich niederwarf, zündete und pustete, hier einen weiteren Ast anlehnte und dort mit dem Feuerhaken einen anderen zurechtrückte, liess ein wenig an eine archaische Kulthandlung denken.
    Faruk war nachgekommen; wir starrten in die Flammen, die unter Petars sorgsamen Bemühungen gefrässig um sich züngelten.
    Von Zeit zu Zeit richtete ich den Blick auf den mit Bäumen und Gestrüpp bestandenen Hang des Schlackenhügels, auf den sich rötlich verfärbenden Himmel darüber. Der Zaun, der uns von den anliegenden Grundstücken abgrenzte, war mit wildem Efeu und anderen Schlingpflanzen überwachsen, was dem weiten Platz eine Spur von Geborgenheit verlieh. Das Feuer knisterte und spuckte Glutspeichel zum eindunkelnden Himmel.
    Ich liess mich auf einem weissen Gartenstuhl nieder, dessen Sitzfläche und Rückenlehne aus plastifizierten Nylonsträngen geflochten waren. Ein Schwarm Krähen zog von den jenseits der Emme liegenden Wäldern über das Industrieareal ostwärts, seine Absicht weit herum verlautend. Faruk nahm neben mir in einem angegrauten Korbstuhl Platz.
    «Ich hab mich heute Nachmittag bei einigen Bekannten erkundigt …»
    Ich sah ihn aus den Augenwinkeln heraus an.
    «Slavkovi ć scheint auch bei ihnen in derselben Weise vorgegangen zu sein.»
    «Ja, ich weiss.»
    Ich starrte wieder ins Feuer. Der Alkohol auf nüchternen Magen versetzte mich in einen träumerischen Zustand. Schweigend verfolgten Faruk und ich, wie Petar dazu überging, Scheite in die

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