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Durst - Roman

Durst - Roman

Titel: Durst - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Limmat-Verlag <Zürich>
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zusammenbrechende Konstruktion der brennenden Äste einzufügen. Nach einer Weile legte er den Feuerhaken nieder und sagte: «Ich zisch kurz mal in die Zentrale. Mal schauen, was ich euch zu den Würsten auftischen kann …»
    Faruk und ich nahmen es zur Kenntnis, ohne den Blick vom Feuer abzuwenden.
    Als Petar zusammen mit Anita zurückkam, waren die Scheite zu einem ebenmässigen Glutteppich zerfallen. Nachdem sie Brot, Karotten, Tomaten und drei verschiedene Tuben Senf auf den Gartentisch gelegt hatten, schwenkte Petar den Rost über die Glut und begann, die Würste darauf zu verteilen. Anita verschwand und kam nach einer Weile mit Gläsern und zwei Flaschen Wein zurück.
    Ich steckte mir eine Zigarette an und stand auf. Die Flasche in der Rechten, beschrieb ich traumwandlerische Schlaufen auf dem Platz. Der Himmel im Osten umgab die ersten Sterne mit samtenem Dunkelblau, während sich im Westen ein Hauch von Rosa hartnäckig hielt.
    Während wir gegessen und die zweite Flasche Wein angebrochen hatten, war es Nacht geworden. Petar legte Holz nach, und mit stossweisem Atem trieb er aus der Glut Feuerfunken, die sich allmählich an der porösen Oberfläche der Scheite festsetzten und sich beharrlich in sie hineinfrassen. Faruk – keine Ahnung, wie er darauf gekommen war – erzählte von einem bosnischen Uronkel, der diplomatischer Berater am Hof in Istanbul gewesen sein soll, als das Osmanische Reich bereits in den letzten Zügen lag. In meinen Ohren klang das alles so sagenhaft orientalisch, dass ich seinen Worten keinen rechten Glauben schenken mochte. Anita hingegen war begeistert und brachte Faruk durch Fragen dazu, mit immer neuen Anekdoten aufzuwarten.
    Nachdem auch die zweite Flasche Wein getrunken war, gingen wir wieder zu Bier über. Petar war schweigsam, trank und kümmerte sich ums Feuer, als hinge davon sein Leben ab.
    «Ich geh mir mal die Beine vertreten», murmelte er nach einer Weile, ohne jedoch bei Faruk oder Anita eine Reaktion auszulösen. Weil ich sah, dass er zögerte, schloss ich mich an.
    Wir gingen auf dem knirschenden Schotter.
    «Lass uns einen Blick auf die Emme werfen!», schlug ich vor.
    Wir verliessen das Areal und folgten der Strasse, die spitzwinklig in die lange, schnurgerade Emmenweidstrasse mündete. Der Lärm der Schrotthalle flussabwärts war bis hierher zu vernehmen.
    «Es geht dir gar nicht gut …», sagte ich leise.
    Wir waren ans Geländer herangetreten. Petar stützte sich mit den Unterarmen auf und starrte ins Flussbett hinunter.
    «Wegen Anita, nicht wahr?»
    Er seufzte. Ich bot ihm eine Zigarette an.
    «Weisst du …» Er richtete sich auf, schwankte und drehte der Emme den Rücken zu. Seine Hände tasteten rückwärts nach dem Geländer. «Shit hey … Du hast es erfasst, Mann.» Seine Artikulation war nicht mehr sehr deutlich. «Sie hat … sie ist … fuck! Wie soll ich sagen …»
    Er schwieg lange.
    «Wie soll ich sagen …», begann er von Neuem, «versteh mich nicht falsch, Mann.»
    Ich nickte und sah ihm in die Augen. «Sie will sich nicht auf etwas einlassen?»
    «Nein, Mann, du kapierst das nicht!» Er zog gierig an seiner Zigarette. «Sie ist voll easy, weisst du.» Er bemühte sich um ein Lächeln, das in seinem aufgedunsenen Gesicht als schwammiges Grinsen auftrat. «Sie ist wirklich eine geile Frau, weisst du, sie ist nur …»
    «… unabhängig?», schlug ich vor.
    «Ja, Mann, unabhängig. Sie ist eine unabhängige Frau und will das Singleleben geniessen.» Er lachte. «So sind die Schweizer Frauen – die wollen dich nicht gleich heiraten, nur weil du mit ihnen gevögelt hast.»
    «Aber du hast dich ein wenig verliebt?»
    Er schüttelte heftig den Kopf. «Hey fuck. Verliebt? Spinnst du, wegen einmal ficken? … Also, weisst du – sie hat gesagt, sie empfinde nichts für mich.»
    Die eintretende Stille brachte mir das konstante Hintergrundgeräusch zum Bewusstsein, das die männlichen Grillen mit ihren Schrillvorrichtungen verursachten. Heuschreckenweibchen mussten schwerhörig sein.
    «Sie möge mich, hat sie gesagt, ich sei sehr männlich und lustig … hat sie gesagt. Aber sie empfinde nichts für mich. Sie habe gedacht, das sei klar gewesen, als wir gestern …»
    Sein Oberkörper klappte nach vorn, als ob er einen kräftigen Stoss in den Rücken bekommen hätte. Er richtete sich mühsam wieder auf.
    «Gestern», nahm er das Gespräch wieder auf, «sei eine einmalige Sache gewesen, hat sie gesagt. Sie meint, man müsse etwas nicht gleich

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