Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Durst - Roman

Durst - Roman

Titel: Durst - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Limmat-Verlag <Zürich>
Vom Netzwerk:
eingebürgert werde. Er lebe nun seit über zehn Jahren in der Schweiz, habe aber arbeitsbedingt mehrmals den Wohnort wechseln müssen, weshalb seine Wartezeit immer wieder von Neuem begonnen habe. Er wolle doch in erster Linie Schweizer sein und nicht «Ännetmesler oder so».
    Petar und ich konnten wegen seiner Aussprache des an sich bereits lächerlich klingenden Wortes nicht anders, als laut loszulachen.
    Ich fand, dass wir nun so weit vertraut waren, um die Angelegenheit, derentwegen wir ja hier waren, zur Sprache zu bringen. Während ich mir noch den Kopf zerbrach, wie wohl am geschicktesten vorzugehen sei, platzte Petar heraus: «Wir haben dir einige vertrauliche Fragen zu stellen … Es liegt in deinem eigenen Interesse, sie wahrheitsrichtig zu beantworten.»
    Igor wirkte durch Petars formellen Ton irritiert und fragte noch einmal nach.
    «Es handelt sich um Slavkovi ć , du kennst ihn ja … Oder besser gesagt, kanntest.»
    Petar fand ein breites Grinsen an dieser Stelle angebracht.
    Ich glaubte zu sehen, wie in Igors Kopf tausend Gedanken durcheinanderschossen. Schliesslich sprach er einen davon aus: «Kennen ist ibertrieben … Doch woher wissen du das?»
    Petar kam sich wohl vor wie eine coole Mischung aus James Bond und Columbo. «Recherchen, Rückschlüsse! – Was man halt so hört …»
    Es war zu befürchten, dass Igors Bereitschaft, über seine finanziellen Angelegenheiten Auskunft zu geben, mit diesen wenigen Sätzen bereits zerschlagen war.
    Ich versuchte das Steuer herumzureissen: «Schau, die Sache ist so: Wir haben Einsicht in Slavkovi ć s Buchhaltung … Wir wissen, dass du mit der Sache nichts zu tun hast. Wir möchten von dir lediglich erfahren, wie oft du in den letzten Monaten bei ihm Geld überwiesen hast.»
    Ich brauchte nicht erst in Igors Zügen zu lesen, um zu erkennen, dass meine Worte sein Misstrauen erst recht geweckt hatten. Ich nahm einen neuen Anlauf: «Die Staatsanwaltschaft hat Grund zur Annahme, Slavkovi ć habe etliche seiner Kunden betrogen. Wenn sich diese Vermutung als wahr erweisen würde – und dazu kannst du mit deiner Aussage beitragen –, würde dir die Rückzahlung der entsprechenden Summe zustehen.»
    Einen Moment lang war ich sicher, dass er den Köder schlucken würde. Aber Igor meinte: «Ich wurde nicht betrogen, nicht von Slavkovi ć und nicht von niemand!»
    Sein charakteristisch gutmütiger Gesichtsausdruck hatte einen beschwörenden Zug angenommen.
    «Würdest du uns trotzdem einige Zahlen bestätigen?»
    «Warum? Du hast falsche Informationen gehert. Mein Vater hat alle Geld bekommen, was ich geschickt habe. Das hat er mich am Telefon gesagt!»
    «Hey komm schon, mach uns den Gefallen, Mann – es ist brutal wichtig für uns!», sagte Petar mit schmeichelnder Stimme.
    «Warum iberhaupt wollt ihr wissen das alles?»
    «Wir wollen herausfinden, wer Slavkovi ć …»
    Ich versetzte Petar einen kräftigen Fusstritt mit dem Ergebnis, dass dieser nur mühsam einen Aufschrei unterdrückte, und mich zwei verwunderte Augenpaare anstarrten.
    Ich nahm einen gehörigen Schluck, stellte die Flasche geräuschvoll hin und zog das zusammengefaltete Blatt Papier aus meiner Brusttasche.
    «Tausendzweihundert Schweizer Franken im Monat Mai, überwiesen an Josip Nedeljkovi ć . – Stimmt das?»
    «Was?!»
    «April: siebenhundertfünzig Schweizer Franken, März: sechshundert.»
    «Her mir zu – ich will dariber nicht reden!»
    Igor stand wütend vom Tisch auf und verschwand in der kleinen Küche hinter der Theke.
    «Warum ist er bloss so misstrauisch?!», fragte Petar.
    «Weil du ein Idiot bist, deshalb!»
    Als Igor etwas später wieder nach vorn kam, war er so freundlich wie zu Beginn. Ich bezahlte, und wir verabschiedeten uns.
    Während Petar bereits draussen war, hielt mich Igor zurück.
    «Du musst mir entschuldigen, aber iber Geld rede ich nicht. Das hab ich von die Schweizer gelernt!»
    Ich traute meinen Ohren nicht, erst recht, weil sich die Ironie, die ich aus diesen Worten herauszuhören glaubte, in seinem Gesicht nicht spiegelte – im Gegenteil, er hatte sein gutmütiges Lächeln aufgesetzt. Im Nachhinein ärgerte ich mich über die Unverfrorenheit, mit der er von diesem Klischee Gebrauch machte; und ich ärgerte mich, weil ich mich mit dem Wort «Schweizer» in dem Moment, da es Igor in den Mund nahm, gegen meine Gewohnheit identifiziert hatte.
    Petar hatte seinen roten VW wieder in den Verkehr eingefädelt und pfiff eine gänzlich sinnlose Abfolge von

Weitere Kostenlose Bücher