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Durst - Roman

Durst - Roman

Titel: Durst - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Limmat-Verlag <Zürich>
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auf den Balkan offeriert, das ist richtig so. Für welche Zeitung schreiben Sie, haben Sie gesagt?»
    «Für das ‹Süddeutsche Wochenmagazin›. Sie haben die Transaktionen in Slavkovi ć s Reisebüro erwähnt …»
    «Genau, ja. Herr Slavkovi ć gehört zu den ganz Grossen im Geldwechsel- und Geldtransfergeschäft. Es geht um bis zu Hunderttausende an Geldüberweisungen, gegen Bezahlung von Kommissionen, versteht sich.»
    «Und weiter?»
    «Zur Zeit läuft eine zweijährige Übergangsfrist des neuen Geldwäschereigesetzes. Ab April 2000 brauchen die im Geldtransfergeschäft tätigen Personen eine behördliche Bewilligung.»
    «Und inwiefern wird Slavkovi ć s Geschäft dadurch tangiert?»
    «Es besteht die Vermutung, dass Herr Slavkovi ć die wirtschaftliche Berechtigung der entgegengenommenen Vermögen nicht in allen Fällen mit der notwendigen Sorgfalt geprüft hat.»
    «Sie vermuten?»
    «Bis jetzt ist noch nichts erwiesen.»
    «Laufen weitere Ermittlungen in ähnlichen Bereichen? Steht Mehmet Taliqis Reisebüro ebenfalls unter Geldwäschereiverdacht?»
    «Wie kommen Sie darauf?»
    «Es ist doch naheliegend, dass Sie sein Geschäft auch im Visier haben.»
    «Der Name sagt mir nichts. Haben Sie noch weitere Fragen?»
    «Das wäre alles. Haben Sie vielen Dank.»
    Mehmet Taliqi wohnte in einem Hochhaus im Arbeiter- und Ausländerquartier Meierhöfli. Ich hatte mit seinem Sohn telefoniert und gesagt, ich führte im Auftrag des Bundesamtes für Migration Umfragen bei Ausländern durch, die seit mehreren Jahren in der Schweiz lebten. Nach Rücksprache mit seinem Vater hatte er einen Termin mit mir vereinbart.
    Taliqis Wohnung befand sich im sechsten Stock des mit weissen und braunen Steinplatten verkleideten Hochhauses. Der Lift war gerade defekt; so war ich ausser Atem, als ich den Klingelknopf drückte. Ein Junge von ungefähr sechzehn Jahren öffnete mir. Er hatte kurze, schwarze Haare und ein längliches, blasses Gesicht. Sein Blick hinter der schwarzen Drahtbrille war klug und wach. Er bat mich in den schmalen Korridor. Ich zog die Schuhe aus und stellte sie zu den anderen, die auf einem Gestell bei der Garderobe aufgereiht waren. Ich vergewisserte mich, dass ich keine löchrigen Socken trug, und folgte dem Jungen auf dem hellgrauen Spannteppich. Er führte mich ins Wohnzimmer.
    «Bitte nehmen Sie doch Platz.»
    Ich fragte den Jungen, der tadellos Schweizerdeutsch sprach, nach seinem Namen. «Fadil, jetzt erinnere ich mich – wir haben zusammen telefoniert.»
    Er nickte.
    «Und gehst du noch zur Schule?»
    «Ich bin an der Kanti, vierte Klasse.»
    «Ah ja, im Rothen, nehm ich an.»
    Er bestätigte und verliess darauf den Raum, um seinen Vater zu benachrichtigen. Ich blieb stehen und begutachtete die Einrichtung. Der farbenprächtige Teppich am Boden war an manchen Stellen fadenscheinig. Das an der Wand angebrachte Bücherregal wurde ausschliesslich so genutzt, wie es gedacht war, und liess auf eine gewisse Belesenheit seines Besitzers schliessen. Über dem Sofa hing ein aufwändig gearbeiteter Gebetsteppich. Durch ein Fenster und die Glastür, die auf den Balkon gingen, genoss man einen guten Ausblick auf die unmittelbare und die fernere Umgebung: die Strassen und Häuser des Quartiers, die monströsen Bahnen und Brücken der A 2 und in täuschender Nähe die Voralpenkette.
    Herr Taliqi erschien im dreiteiligen schwarzen Anzug. Bis auf die hellbraunen Pantoffeln an den Füssen war er eine äusserst elegante Erscheinung: mittelgross und schlank, die pechschwarzen Haare zu einem Seitenscheitel gekämmt. An den Schläfen waren einzelne graue Strähnen zu erkennen. Er begrüsste mich mit kurzem Händedruck und bat mich, im Armsessel Platz zu nehmen. Er selbst setzte sich diagonal mir gegenüber unter den Gebetsteppich.
    Ich stellte mich vor und kramte einige A 4-Seiten und den Kugelschreiber aus meinem Rucksack. Fadil, der sich neben seinen Vater gesetzt hatte, übersetzte. Ich war gerade dabei, die Absicht der Umfrage zu erläutern, als eine kleine Frau mit Kopftuch das Zimmer betrat. Sie lächelte mir kurz zu und stellte ein Tablett auf den Tisch. Dann ging sie wieder aus dem Raum. Zurück blieb der intensive Duft frisch gebrühten Kaffees.
    «Trinken Sie?», fragte Fadil.
    «Sehr gern.»
    Taliqi machte sich daran, aus einem länglichen Metallkrug Kaffee in die kleinen Tassen einzuschenken. Ich bediente mich mit Zucker aus einer winzigen Porzellanschale.
    Nachdem ich vorsichtig vom starken Getränk probiert

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