Durst: Thriller (German Edition)
Die Quelle gehört uns, und wir nutzen sie, wie wir das möchten. Diese unfähigen Hilfsarbeiter könnten ihr Wasser problemlos dem Tak entnehmen, einem Fluss, der sehr viel Wasser führt. Stattdessen wollen sie aber an unsere Quelle, weil das bequemer für sie ist. Wir waren sogar so großzügig, ihnen einen Teil der überschüssigen Erträge zuzugestehen, aber das hat sich im Nachhinein als Fehler erwiesen. Wem man den kleinen Finger reicht, der nimmt die ganze Hand, wie man so schön sagt… « Er schüttelte den Kopf, die Lippen zu einer feinen Linie zusammengepresst, und schenkte Sebastian großzügig Bier nach.
» Verstehe « , sagte der. » Aber warum ich? Was habe ich damit zu tun? «
Luon Li O schaute ihn ernst an. » Erstens habe ich neulich am eigenen Leib erfahren dürfen, dass du keine Angst hast, und unsere Organisation braucht mutige Männer. Zweitens ist es besser, wenn ein Fremder hingeht, denn mit uns möchten diese Wilden nicht mehr verhandeln. Natürlich wirst du dafür bezahlt, und zwar gut. Ganz zu schweigen von dem Glücksfall, dass du dir diese Kakerlaken von der Polizei vom Hals schaffst. «
Ein langes Schweigen trat ein, dann sagte Sebastian: » Einverstanden. «
Nach einer langen Zugfahrt durch smaragdgrüne Wälder kam Sebastian zum ersten Mal nach Chiang Mai. Die Region des Inthanon war damals noch nicht wirklich erschlossen. Er wohnte in einer Pension, die von einer nicht mehr ganz jungen Frau geführt wurde. Sie empfing ihn mit allen Ehren und behandelte ihn wie einen Freund von Luon Li O.
Nach ein paar Tagen war die Expedition vorbereitet, und drei gewaltige deutsche Jeeps, die vermutlich noch aus dem letzten Weltkrieg stammten, setzten sich in Bewegung. Die Fahrt dauerte mehrere Stunden. Die Landschaft, die sich vor Sebastian auftat, gehörte zum Schönsten, was er je gesehen hatte: Berge mit tropischer Vegetation, Wasserfälle, Täler mit Reisterrassen, die in hypnotischen Mustern angelegt waren, dann Dörfer, in denen sich das Leben wie vor tausend Jahren abspielte. In einem Städtchen namens Latek, am Nordufer des Hot, ließen sie sich nieder. Sofort bemerkte Sebastian die feindliche Atmosphäre, die ihnen dort entgegenschlug.
Ein paar Kilometer vom Zentrum entfernt war der Wald abgeholzt worden, um für das Werk Platz zu schaffen, in dem das Wasser gefiltert und in Flaschen abgefüllt wurde. Ein ganzes Heer an Lastwagen brachte es nach Chiang Mai, von wo aus jede Woche ein Zug, vollbeladen mit Zweiliterflaschen, nach Bangkok aufbrach. Ein Thai um die fünfzig, der sich Oberaufseher nennen ließ, kümmerte sich um die Anlage.
Die ersten Tage über versuchte Sebastian, die Arbeitsabläufe zu begreifen. Dann wollte er sich auf die Hochebene bringen lassen, wo sich das Pumpsystem für das Wasser befand, aber der Oberaufseher war nicht sehr glücklich über diesen Wunsch. Als Sebastian sich nach dem Grund erkundigte, sagte er, dass es gefährlich geworden sei, ins Gebirge zu fahren. Sebastian ließ sich nicht beirren und bestand auf der Exkursion. Unterwegs sah er, dass es sich um eine von Landwirtschaft geprägte Gegend handelte. Sie kamen durch verschiedene Dörfer hindurch, und gelegentlich wurden sie von Bauern am Straßenrand beschimpft. Obwohl der Oberaufseher deutlich zu erkennen gab, dass er sich nicht unterhalten wollte, erkundigte sich Sebastian, wo sich der Fluss namens Tak befand.
» Was für ein Fluss? « , fragte der Mann, ohne den Blick von der Straße zu wenden.
Sebastian sagte nichts.
Ein paar Kilometer lang verlief parallel zur Straße ein primitives Aquädukt, durch welches das abgepumpte Wasser ins Filterwerk geleitet wurde. Durch Vegetation und Felder hatte man Trassen geschlagen, und wo noch Felder existierten, waren sie verwahrlost. Das Pumpensystem wurde von bewaffneten Männern bewacht. Ihr Chef, ein kleiner Thai, saß bei ihrer Ankunft auf einer Pritsche in einem Bretterverschlag. Er erklärte, dass die Situation allmählich brenzlig werde und jederzeit eine Revolte ausbrechen könne. Sieben Sabotageakte habe man am Transportkanal bereits festgestellt; der Wasserverlust sei erheblich.
» Ich weiß nicht, wie lange meine Leute die Anlage noch verteidigen können und inwieweit sie überhaupt noch dazu bereit sind. «
» Was meinen Sie damit? «
» Die Bauern haben recht. Sie haben nicht genug Wasser für ihre Felder. Es gab eine Vereinbarung, wonach das Wasser geteilt wird, aber seit einigen Monaten bleiben ihnen bestenfalls zehn Prozent. Und meine
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