Durst: Thriller (German Edition)
Revolutionsführer, der über alles im Bilde war. Ihm war klar, dass sie eine Spionin war, aber er hat sie nie verraten, weil er hoffnungslos in sie verliebt war. Ich weiß nicht, was für ein Ende er genommen hat… «
» Nun « , sagte Luon Li O. » Su Wong war eine Frau von ungewöhnlicher Schönheit. Und dieser Bürokrat gehört immer noch zu Maos engstem Kreis. Daher sind Sie in großer Gefahr. Dieser Drache, mit dem Sie neulich nachts diesen Elenden niedergeschlagen haben… « Luon Li O beugte sich zu Sebastian vor und verlieh seinen Worten Nachdruck. » Dieser Drache aus einem Türkis hat zwei Perlen anstelle der Augen, nicht wahr? Und Sie wissen doch, was die Perle für den Drachen bedeutet– die Wahrheit der kaiserlichen Macht. Und in der Politik hat die Wahrheit viele Gesichter. Selbst Mao, der jeden beliebigen Herrscher vor ein Exekutionskommando stellen lassen würde, pflegt zu sagen, dass man die Perle des Drachen respektiere. Ein solches Schmuckstück besitzen nur die Leute aus dem engsten Kreis um Mao. Das ist nicht ein Stein wie jeder andere. « Er schwieg eine Weile, dann starrte er Sebastian wieder an.
» Was versuchen Sie mir mitzuteilen? Dass man meinen Drachen zurückwill? Da lass ich mich lieber aufknüpfen. «
» Nein « , antwortete Luon Li O. » Man will das, wofür er steht: eine Wahrheit mit zwei Augen. Ein Geheimnis. Sebastian, hören Sie mir zu. Ich kann dafür sorgen, dass man Sie nicht verhaftet und die Geschichte allmählich in Vergessenheit gerät. «
» Wie? «
» Ich habe gute Verbindungen zum König. Auch hier haben wir unsere Drachen mit zwei Perlen. «
Sebastian warf ihm einen prüfenden Blick zu. » Dann tun Sie es, wenn Ihnen so viel daran liegt, mir zu helfen. «
» Das werde ich tun. Aber im Gegenzug erwarte ich auch etwas von Ihnen. «
Sebastians blaue Augen blitzten. » Also wollen Sie mir nicht helfen, sondern mich erpressen. «
» Sehen Sie es einfach so: Dies könnte der Beginn einer fruchtbaren Zusammenarbeit werden. «
Sebastian schaute sich noch einmal um. Er spürte, dass ihm ein Schweißtropfen über die kantige Nase rann.
» Was soll ich tun? « , fragte er schließlich.
» Sie kennen doch sicher eine Stadt namens Chiang Mai. Sie liegt im Norden, in der Gegend des Inthanon, des höchsten Berges von Thailand… «
Sebastian nickte, und Luon Li O hob zu einer langen Erzählung an.
24
Wenn es tatsächlich diese Erzählung war, die den Argentinier dazu veranlasste, sich gegen Ende des fernen Jahres 1959 in die Bergregion des thailändischen Nordens zu begeben, dann wird es nie jemand bezeugen können. Hingegen gibt es Beweise dafür, dass am Tag nach der Begegnung zwei Zivilbeamte der politischen Polizei Sebastians Geschäft einen Besuch abstatteten und es vollkommen auf den Kopf stellten– selbstverständlich ohne irgendetwas zu finden. Auch in seiner Wohnung schauten sie vorbei. Nur einen Block vom Geschäft entfernt, lag sie im zweiten Stock eines düsteren alten Holzhauses. Aber auch dort führte die Suche zu nichts, und die beiden verschwanden wieder. Luon Li O hatte Sebastian genau erklärt, wie er sich während der Hausdurchsuchungen verhalten solle, und Sebastian hatte die Ratschläge alle befolgt.
Während des berühmten Essens hatten sie Min-Bier getrunken, was Sebastian überrascht hatte. Nicht so sehr, weil an diesem Tisch Bier getrunken wurde, sondern vielmehr, weil es nicht Singha-Bier war, das beste Bier Thailands.
» Dieses Bier hier brauen wir selbst « , hatte Luon Li O erklärt und Sebastians Glas aufgefüllt. » Und unseres ist nicht nur besser, sondern auch noch billiger. Sehr billig sogar. Und es soll auch billig bleiben. Wollen wir uns nicht duzen? Vielleicht ist dir das nicht aufgefallen, obwohl du ja Alkohol verkaufst, aber das Blut von Bangkok ist nicht das, was in den Venen dieser Unglückseligen fließt. Das Blut ist das Bier, das wir verkaufen. «
Luon Li O erklärte ihm, dass der Handel mit dem Min-Bier von einem Problem in der Region des Inthanon bedroht wurde, wo sich die wichtigste Wasserquelle für seine Herstellung befand. Ein Aufstand von Hanfbauern bereitete ihnen ernsthaft Kopfzerbrechen. Ein paar Auffanganlagen waren bereits zerstört worden, und die Situation verschlimmerte sich zusehends.
» Warum protestieren sie denn? « , erkundigte sich Sebastian.
» Angeblich sind unseretwegen die Bewässerungskanäle ausgetrocknet. «
» Stimmt das denn? «
» Ob es nun stimmt oder nicht, die Frage ist eine andere.
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