Durst: Thriller (German Edition)
langweilte sich zu Tode.
» Mein Cousin hat gesagt, dass Sie mit Wasser zu tun haben. «
Der Drache bestätigte und musterte seinen Gesprächspartner.
» Ich auch gewissermaßen « , fuhr der Inder fort und kicherte.
» Sie sind Ingenieur, nicht wahr? «
» Ja, ich baue vor allem Staudämme. Am Ru, einem großen Fluss in Ostchina, läuft gerade ein großes Projekt. Haben Sie schon einmal vom Banqiao-Staudamm gehört? «
» Nur am Rande. «
» Ein großer Staudamm, eine Pionierleistung. « Er schwieg einen Moment, dann fügte er hinzu: » Mein Cousin hat mir erzählt, dass Sie einen Großteil des thailändischen Wassers besitzen. «
Der Drache schaute ihm in die Augen. » Ihr Cousin übertreibt. «
» Mag sein. Er hat mir aber auch erzählt, dass Sie eine Menge investieren wollen. Thailand ist reich an Wasser. In China oder Indien ist das anders. «
Der Drache trank einen Schluck Wein. » Dem kann ich nicht zustimmen. Auch China und Indien haben in großen Landesteilen sehr viel Wasser. «
» Das ist richtig. Vielleicht habe ich mich falsch ausgedrückt. Ich wollte sagen: Thailand ist reich an verfügbarem Wasser. «
Der Drache bedeutete Aradi Seth fortzufahren.
» Wie Sie wissen, kann man mit dem Überfluss reich werden, so wie Sie es getan haben. Man kann aber auch mit dem Mangel reich werden. «
» Erklären Sie mir das. «
» Nun, was ich mit Ersterem meine, wissen Sie vermutlich. Sie verkaufen etwas, das Sie praktisch nichts kostet, mit einem Gewinn von vierhundert Prozent, mal großzügig gerechnet. «
Der Mann schien ziemlich vorsichtig. Offenbar hatte er nicht den blassesten Schimmer, wie viel man mit Quellwasser tatsächlich verdienen konnte.
» Aber auch dort, wo es kein Wasser gibt, bieten sich zahllose Verdienstmöglichkeiten « , fuhr Aradi Seth fort.
» Teurere allerdings. «
» Anfangs schon. Viele Großstädte mit miserablen Verteilungsnetzen bräuchten jemanden, der ihr Wasser intelligent verwaltet. Und der es vor allem reinigt. «
» Sie sprechen von Wasser für den alltäglichen Gebrauch? «
» Auch für Industrie und Landwirtschaft. Die verbrauchen tausendmal mehr Wasser, als durch die Wasserhähne fließt. In China vergreift sich das Mao-Regime an den Flüssen. Man leitet sie um und spaltet sie auf, und wissen Sie, wozu? Um Kohle zu gewinnen, bergeweise Kohle. «
» Ich verkaufe Wasser, das dem Vergnügen dient. Aus meinem Wasser macht man Bier oder Mineralwasser– Sodawasser, wie die Amerikaner sagen. Außerdem Zedernsaft, miserablen Whiskey… «
» Ich verstehe, was Sie sagen wollen. Gute Geschäfte kann man aber auch mit alten Großstädten machen, die wenig Wasser haben. Nehmen Sie etwa London. Entfernen Sie das Straßenpflaster, auf das dieses Volk so stolz ist, und Sie stoßen auf ein marodes Leitungsnetz, das noch auf Königin Victoria zurückgeht. Das bedeutet echtes Geld, wenn man es richtig anstellt. Nehmen Sie Bombay, dieses abscheuliche Gewusel, das sein Wasser aus mindestens fünf Seen heraussaugt. Irgendwann werden sie nicht mehr wissen, wo sie es herholen sollen. Und dann gibt es noch das Meerwasser. Viele Leute würden ein Vermögen hergeben, wenn sie dem Meer das Salz entziehen könnten… «
Als Sebastian an diesem Abend ins Hotel zurückkehrte, fühlte er sich müde. Er schaute in den Spiegel und fand, dass er plötzlich gealtert aussah. Ein düsterer Gedanke bemächtigte sich seiner: Fünfzehn Jahre war es her, seitdem er von zu Hause fortgegangen war. Seine Schwester müsste nun sechsundzwanzig sein. Er versuchte, sich vorzustellen, wie sie wohl aussah, aber er sah nur das Gesicht seiner Mutter.
In jener Nacht war die Luft heiß. Das Zimmer hatte eine kleine Terrasse, die auf die erleuchtete Bucht hinausging. Er setzte sich aufs Bett. An einer der weißen Wände hing eine alte politische Erdkarte. Sebastian merkte, dass er die Karte nach der Begegnung mit dem Ingenieur mit anderen Augen anschaute. Für ihn war es keine politische Karte, die Ländergrenzen verzeichnete, sondern eine Karte mit roten und blauen Zonen, ariden und wasserreichen Regionen. Plötzlich wurde ihm klar, dass er sich unwiderstehlich zum blauen Teil der Welt hingezogen fühlte. Er dachte an seine Quellen, an das versteckte Tal in den Bergen, ein Tal, von dem niemand etwas wusste. All sein Wasser, seinen ganzen Schatz hielt es in den Armen.
Er beschloss, nicht nach Chiang Mai zurückzukehren, sondern andere Täler mit anderen Quellen zu suchen. Sofort setzte er sich an den Tisch
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